Eigentümerversammlungen: Neues Recht und Corona
Das „neue WEG“ ist zum 1.12.2020 in Kraft getreten. WIR haben bereits in einer Vielzahl von Veranstaltungen darauf hingewiesen, dass „kein Stein mehr auf dem anderen bleibt“. Das reformierte Gesetz wirft viele Fragen auf. Gerichtliche Entscheidungen sind erst im Laufe des Jahres 2021 zu erwarten.
In Eigentümerversammlungen müssen derzeit nicht nur die neuen gesetzlichen Vorschriften berücksichtigt und angewandt werden. Dies ist anspruchsvoll genug. Leider sind auch noch immer die aktuellen Corona-Verordnungen für die Frage maßgeblich, ob und wie Eigentümerversammlungen aktuell durchgeführt werden können. Der „Lockdown“ seit dem 16.12.2020 erlaubt grundsätzlich noch immer die Durchführung von Eigentümerversammlungen. Dennoch bleiben bei der Einladung sowie insbesondere bei der Auswahl des Versammlungsortes Vorsicht geboten.
Zur Durchführung von Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten gibt es bereits gerichtliche Entscheidungen. Diese stellen wir kurz vor:
AG Dortmund, Urteil vom 28.5.2020 – 514 C 84/20
Wohnungseigentümerversammlungen sind nach der Corona-Schutzverordnung (hier: des Landes Nordrhein-Westfalen) in der (hier) ab dem 11.5.2020 gültigen Fassung grundsätzlich zulässig. Wurden die Vorkehrungen zur Hygiene bei der Beschlussfassung eingehalten, sind die Beschlüsse nicht wegen eines Verstoßes gegen die Schutzverordnung anfechtbar.
Auch wenn eine kostspielige Fassadensanierung beschlossen wurde, tragen hohe Infektionszahlen und Ängste der Anfechtungs-/ Verfügungskläger nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Baustopp).
AG Wedding, Urteil vom 13.7.2020 – 9 C 214/20
Wegen der Corona-Pandemie kann zur Abhaltung einer Wohnungseigentümerversammlung auch ein Ort im Freien (hier: auf dem nicht für die Öffentlichkeit gewidmeten Spielplatz der WEG) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn nicht mit Störungen oder Einflussnahme Dritter zu rechnen ist.
Die Durchführung der Versammlung auf dem Spielplatz der Wohnungseigentumsanlage widerspricht insbesondere mit Blick auf die Gefahren durch das Corona-Virus nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit liegt nicht vor. Die Wahrnehmung der Gespräche durch Dritte ist weitgehend ausgeschlossen.
LG Meiningen, Beschluss vom 04.08.2020 – 4 T 119/20
Eine am Tag der Einladung trotz Corona gesetzlich (noch) zulässige, später aber aufgrund entsprechender landesgesetzlicher Vorgaben unzulässig gewordene Versammlung abzusagen, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.
AG Lemgo, Urteil vom 24.8.2020 – 16 C 10/20
Lädt der WEG-Verwalter zu einer Versammlung in einer Weise ein, die die Geladenen von der persönlichen Teilnahme ausschließt und auf die Erteilung von Vollmachten beschränkt, verletzt dies die Wohnungseigentümer im Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung des Stimmrechts.
Die Einladung stellt sich hier im Ergebnis als „Ausladung“ der Wohnungseigentümer dar. Jedenfalls durften und mussten die Wohnungseigentümer die Einladung allein dahin verstehen, dass ihnen die persönliche Teilnahme an der Eigentümerversammlung verwehrt wird. Dem steht nicht entgegen, dass ein ausdrückliches Verbot der Teilnahme nicht formuliert wurde. Aus der Gesamtschau der o. a. Ladungsinhalte mussten die Wohnungseigentümer annehmen, dass sie an der Eigentümerversammlung nicht teilnehmen können, da diese im Büro des Verwalters stattfand und dieses „für den Publikumsverkehr“ geschlossen war. Es bedurfte mithin keiner persönlichen Abweisung derjenigen Wohnungseigentümer, die persönlich zur Eigentümerversammlung erschienen und an dieser hätten teilnehmen wollen.
AG Kassel, Urteil vom 27.08.2020 – 800 C 2563/20
Die Corona-Pandemie rechtfertigt regelmäßig keine Beschränkung der Personsanzahl auf einer Eigentümerversammlung auf einen Wert unterhalb der teilnahmeberechtigten Eigentümer incl. Verwalter. Spricht die Einladung zu einer Versammlung ohne ausreichende Rechtfertigung eine solche Beschränkung aus, so sind die auf der Versammlung getroffenen Beschlüsse wegen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig. Vorrangig ist ein Raum zu organisieren, in dem die Vorgaben der landesrechtlichen Corona-Schutzverordnungen eingehalten werden können.
AG Dortmund, Urteil vom 19.11.2020 – 514 C 88/20
Eine Einladung zur Eigentümerversammlung in einen Versammlungsraum, der nach geltender COVID-19-VO nur für 7 Personen zugelassen ist (100 qm) ist ermessensfehlerhaft, wenn in den letzten 3 Jahren immer mindestens 19 Personen erschienen.
Auch wenn ein Verstoß gegen die Corona-Schutz-Verordnung bei Durchführung der Versammlung nicht vorlag, weil nicht mehr als 7 Eigentümer erschienen, bedeutet die Auswahl eines derart kleinen Versammlungsraums eine Einschränkung der Teilnahmerechte der Eigentümer (vgl. AG Kassel, Urteil vom 27.08.2020, 800 C 2563/20). Die gefassten Beschlüsse sind nicht nichtig, jedoch auf fristgerechte Anfechtung alle für ungültig zu erklären.
Nach unserer Rechtsauffassung wird in gerichtlichen Entscheidungen (zum Beispiel AG Kassel) teilweise verkannt, dass es im Beurteilungsspielraum des Verwalters liegt, einen Versammlungsort auszuwählen, der ex-ante betrachtet die Teilnahme aller von ihm erwarteten Eigentümer zulässt. Gerade in Zeiten einer Pandemie ist zudem eher mit einer niedrigeren Teilnehmerzahl gegenüber früheren Versammlungen zu rechnen.
Auch in den Zeiten vor und nach der Pandemie müssen selbstverständlich keine Plätze in einem Versammlungsraum für sämtliche Eigentümer vorgehalten werden. Dies würde gerade bei großen Gemeinschaften bedeuten, dass regelmäßig eine Vielzahl von Plätzen frei bleibt. Der Verwalter würde unnötige Kosten verursachen. Demzufolge sollte eine Entscheidung, wonach Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung für ungültig erklärt werden, (nur) mit der Begründung, dass die Anzahl der Plätze unter der Zahl der Miteigentümer liegt, mit dem Rechtsmittel überprüft werden.
Dennoch bleibt für WEG-Verwalter im Hinblick auf anstehende Eigentümerversammlungen folgendes zu berücksichtigen
- Sind Versammlungen nicht schlechthin verboten, sondern nur Beschränkungen unterworfen, kann und muss eine anstehende Versammlung einberufen werden.
- Die Einladung muss in dieser Situation (neben den gesetzlich gebotenen Hinweisen auf die einzuhaltenden Hygienevorschriften) lediglich darauf hinweisen, dass der gewählte Versammlungsraum unter Einhaltung der Abstandsregelungen (oder ggf. einer jeweils aufgrund behördlicher Anordnung geltenden Höchstzahl an Teilnehmern) nur eine bestimmte Anzahl Teilnehmer aufnehmen kann und dass die Versammlung deswegen abgebrochen bzw. gar nicht erst eröffnet wird, wenn die genannte Höchstzahl überschritten wird.
- Den Eigentümern sollte angeboten werden, sich durch einen geeigneten Dritten vertreten zu lassen (Achtung: Keine ausdrückliche Ausladung/kein Vertretungszwang).
- Ein Verwalter ist nicht verpflichtet, den Versammlungsraum stets so groß zu wählen, dass garantiert alle Miteigentümer darin Platz finden, wenn nicht zu erwarten ist, dass alle kommen (Ermessen des Verwalters.
WEG-Verwalter müssen sich regelmäßig über die inhaltlichen Vorgaben der maßgeblichen Corona-Landesverordnung informieren. Zudem gilt (bis zum 31.12.2021) weiterhin § 6 des „COVID-19-Gesetzes“, wonach der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort gilt. Die Liquidität der WEG bleibt gesichert.
Dagegen löst § 23 Abs. 1 S. 2 WEG leider nicht alle Probleme. Danach besteht nunmehr die Kompetenz, zu beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Ein solcher Beschluss bedingt zunächst, dass eine Eigentümerversammlung stattfindet und (nur) für folgende Versammlungen die Online-Teilnahme an einer Präsenzversammlung zugelassen wird. Danach ist erst ab dem Jahr 2021 die Möglichkeit für eine Hybridversammlung eröffnet. Zudem bedarf ein entsprechender Zulassungsbeschluss einer ausreichenden Vorbereitung. Dies betrifft nicht nur die Wahl und Anschaffung der Technik, insbesondere muss auch bei den Eigentümern Vertrauen geschaffen werden. Hierbei unterstützen wir Sie gern. Die Möglichkeit der Hybridversammlung schafft mehr Chancen als Risiken. Bei Bedarf wenden Sie sich gern an unsere WEG-Abteilung.
Verfasser: RA Carsten Küttner