Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die Änderung der Kostenverteilung für Erhaltungsmaßnahmen
Gemäß des am 01.12.2020 in Kraft getretenen § 16 Abs. 2 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer über die Änderung des geltenden Verteilungsschlüssels für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen. Dies gilt auch für den Verteilungsschlüssel von Erhaltungskosten, womit auch diesbezüglich eine weit gefasste und nicht restriktiv anzuwendende Beschlusskompetenz besteht, was jüngst von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt wurde.
1. Zum ersten Mal allein
An den Doppelparkern in einer Wohnungseigentumsanlage ist jeweils Teileigentum begründet. Die Hebeanlage der Doppelparker ist defekt. Sie hebt die Doppelparker an und steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Die Kosten der Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sind nach den geltenden Verteilungsregelungen von sämtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümern nach den jeweiligen Miteigentumsanteilen zu tragen. Im Jahr 2021 wird beschlossen, dass die Kosten für eine etwaige Sanierung, Reparatur, Unterhaltung und Modernisierung der (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile der) Doppelparker nicht mehr von sämtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümern, sondern allein von den Teileigentümern der Doppelparker gemeinschaftlich zu tragen sind, wodurch die übrigen Wohnungseigentümer von den Kosten befreit werden. Der Beschluss wird von einem Teileigentümer von vier Doppelparkern angefochten. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen ohne Erfolg war, weist der BGH die Revision des Klägers zurück. Der Beschluss ist weder nichtig noch widerspricht er ordnungsmäßiger Verwaltung.
Nach der alten Rechtslage galt, dass zwar ein anderer Verteilungsmaßstab für eine dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungspflicht beschlossen werden konnte. Jedoch bestand keine Beschlusskompetenz, den Kreis der Kostenschuldner durch Beschluss zu verändern, indem ein Wohnungseigentümer erstmals an Kosten beteiligt wird, wenn er nach den geltenden Regelungen von diesen Kosten oder gar insgesamt von der Kostentragungspflicht befreit ist.
Dies sieht der BGH für die seit dem 01.12.2020 geltende Rechtslage anders. Aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ergibt sich die Beschlusskompetenz, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der GdWE eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Dies gilt auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer zum ersten Mal mit Kosten belastet oder umgekehrt – wie vorliegend in Rede stehend – von der Kostentragung gänzlich befreit werden.
Auch entspricht der angefochtene Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung. Wird für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft eine Änderung der bisherigen Verteilung beschlossen, so darf jeder Maßstab herangezogen werden, welcher nicht einzelne Wohnungseigentümer ungerechtfertigt benachteiligt und den Interessen der Gemeinschaft und der Wohnungseigentümer angemessen ist. Werden die bislang von allen Wohnungseigentümern zu tragenden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, so entspricht dies jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt.
(BGH, Urteil vom 22.03.2024 – V ZR 81/23)
2. Wie machen wir das zukünftig?
In einer Wohnungseigentumsanlage sind Dachflächenfenster defekt. Im Jahr 2021 wird beschlossen, dass der Sondereigentümer der Wohnung im Dachgeschoss, in deren Bereich sich die Fenster befinden, die Kosten für den Austausch der Fenster allein zu tragen hat. Eine Regelung für die Behandlung künftiger gleich gelagerter Fälle wird nicht getroffen. Der Beschluss wird von dem betroffenen Wohnungseigentümer angefochten. Die Klage bleibt in den Vorinstanzen ohne Erfolg, der BGH weist die Revision des Klägers zurück.
Wie zuvor ausgeführt, ergibt sich aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG auch die Kompetenz, durch Beschluss den Kreis der Kostenschuldner zu verändern, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit werden, was vorliegend für die Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Klägers der Fall ist.
Zudem berücksichtigt der Beschluss die alleinige Gebrauchsmöglichkeit des Klägers hinsichtlich der Fenster. Dabei bedarf es in dem in Rede stehenden Beschluss auch keiner Regelung für die Behandlung künftiger gleich gelagerter Fälle („Grundsatz der Maßstabskontinuität“). Bei einem Beschluss über die Änderung der Kostenverteilung für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme muss nicht zugleich eine entsprechende Regelung für alle künftig gleich gelagerten Fälle mitbeschlossen werden. Durch die Neufassung von § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG sollen die Wohnungseigentümer einfacher als bisher eine nach den jeweiligen Umständen sinnvoll und gerechte Kostenverteilung beschließen können.
(BGH, Urteil vom 22.03.2024 – V ZR 87/23)
Hinweis für die Praxis:
Die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, dass der seit dem 01.12.2020 geltende § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG zur Änderung bestehender Verteilungsschlüssel auch betreffend die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen weit gefasst und nicht restriktiv anzuwenden ist. Mit dem § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ist den Wohnungseigentümern (und dem Verwalter) ein hilfreiches Werkzeug an die Hand gegeben, „ungerechte“ Verteilungsschlüssel betreffend einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten durch Beschluss mit einfacher Stimmenmehrheit zu verändern und/oder eine „gerechte“ Kostenverteilung zu begründen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG kein Beschluss über die Verteilung von Kosten baulicher Veränderungen gefasst werden kann. Die diesbezügliche Kostentragung sowie die Möglichkeit eine abweichende Kostenverteilung zu beschließen ist vielmehr in § 21 WEG abschließend geregelt.
Christian Säuberlich
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht