Ist die Bauhandwerkersicherungshypothek für Architekten nur in Abhängigkeit einer Wertsteigerung des Grundstücks zu stellen?
Der Anspruch eines Architekten auf Einräumung einer Sicherungshypothek für seinen Honoraranspruch (§§ 650e, 650q Abs. 1 BGB) setzt nicht voraus, dass auf dem Baugrundstück mit Bauarbeiten begonnen worden ist oder die Umsetzung der Planung dort zu einer Wertsteigerung geführt hat. Diese Auffassung vertritt zumindest das Kammergericht in Berlin (Kammergericht, Urteil vom 14.02.2023 – 21 W 28/22).
Nach § 650e BGB kann der Unternehmer für seine Forderungen aus dem Vertrag die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers verlangen. Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung der Sicherungshypothek für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 650q Abs. 1 BGB ebenso für Architekten- und Ingenieurverträge. Doch gilt das nur, wenn sich die Werkleistung bereits wertsteigernd ausgewirkt hat?
Schon die Vorgängervorschrift des § 648 BGB aF sah vor, dass der Unternehmer eines Bauwerkes zur Sicherung der Forderung aus dem Werkvertrag die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Baugrundstück des Bestellers verlangen konnte. Auf dieser gesetzlichen Grundlage hat die alte Rechtsprechung als Voraussetzung für die Sicherungsmöglichkeit die Notwendigkeit einer werterhöhenden Auswirkung der Werkleistung auf das Sicherungsgrundstück entwickelt. Auch Architekten wurde ein entsprechender Anspruch bereits zugesprochen, da sie als Unternehmer eines Bauwerkes i.S.d. § 648 BGB aF angesehen wurden. Hierbei musste sich das geistige Werk des Architekten in dem Bauwerk verkörpert haben und somit zu einer Wertsteigerung beigetragen haben.
Allerdings hat der BGH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 darauf hingewiesen, dass sich eine Verknüpfung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek mit dem Eintritt einer Wertsteigerung des Grundstücks nicht aus dem Gesetzestext herleiten ließ und sich dies ebenso wenig aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe (BGH, Urteil vom 30.03.2000 – VII ZR 299/96). Der Gesetzgeber habe in § 648 Abs. 1 S. 2 BGB aF den Sicherungsanspruch lediglich der Höhe nach eingeschränkt und damit dem Mehrwertprinzip Rechnung getragen.
Mit der Bauvertragsrechtsreform zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber durch den neugeschaffenen Untertitel für Architekten sowie Ingenieure und die Verweisungsnorm § 650q BGB die frühere Rechtsprechung grundsätzlich gesetzlich normiert. Dem Architekten steht nunmehr kraft Gesetzes ein Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zu, die Voraussetzungen richten sich seither nach § 650e BGB.
Es stellt sich die Frage, ob die in der alten Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen einer notwendigen Wertsteigerung auch nach der Gesetzesreform Anwendung finden. Das OLG Celle (Urteil vom 06.02.2020, 14 U 160/19) geht davon aus, die alte Rechtsprechung gelte weiter fort. Als Begründung wird angeführt, die neue Vorschrift des § 650e BGB gleiche im Wesentlichen der alten Vorschrift des § 648 BGB aF. Mit den Bedenken des BGH und der gesetzgebenden Historie wird sich nicht auseinandergesetzt.
Nach den aktuellen Gesetzesvorschriften gibt es keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass zumindest der Beginn der Bauausführung auf dem Grundstück für eine Sicherungshypothek vorausgesetzt wird. Nach Ansicht des Kammergerichts enthalte auch die Gesetzesbegründung keine Anhaltspunkte dafür, die vom BGH bereits kritisierte und im Jahr 2000 nicht mehr anerkannte Voraussetzung der Wertsteigerung solle nach der Gesetzesreform fortgelten. In der Gesetzesbegründung heiße es ausschließlich:
„Die bisher in § 648 und 648a BGB aF enthaltenen (…) Regelungen zur Sicherungshypothek des Unternehmers und zur Bauhandwerkersicherungshypothek sind schon nach bisheriger Rechtsprechung auch auf die Sicherung des Honoraranspruchs des Architekten anwendbar. Dies soll nunmehr ausdrücklich festgeschrieben werden. Die Konturierung, die die Anwendbarkeit der beiden Absicherungsvorschriften auf Architekten- und Ingenieurverträge durch die bisher dazu ergangene Rechtsprechung erhalten hat, dürfte in Folge der lediglich entsprechenden Anwendbarkeit aufrechterhalten werden könne.“
Nach Ansicht des Kammergerichts habe der Gesetzgeber damit nur die Möglichkeit eröffnet, die bisherige Rechtsprechung aufrechtzuerhalten. Als zwingend notwendig werde dies aber nicht angesehen. Die genaue Formulierung „dürfte […] aufrechterhalten werden können“ spreche eher für die Eröffnung einer Möglichkeit, als für eine abschließende Festlegung einer bisher ohnehin nicht einheitlichen Rechtsprechung. Der Gesetzgeber wollte aufgrund einer Vielzahl von Besonderheiten der Architekten- und Ingenieurverträge diese gesondert in einem eigenen Untertitel regeln. Das Kammergericht geht daher davon aus, es hätte vielmehr nahegelegen die besonderen Voraussetzungen der alten Rechtsprechung explizit zumindest im Rahmen des § 650q BGB zu normieren. Das geschah jedoch nicht. Damit sei gem. § 650 e S. 1 BGB einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek, dass der Architekt sie „für seine Forderung aus dem Vertrag begehrt“. Selbst die Regelung des § 650e S. 2 BGB knüpfe nur an die geleistete Arbeit und damit an den für die zu sichernde Forderung erbrachten Gegenwert an, nicht aber an eine bereits eigetretene Wertsteigerung des Grundstücks. Dies sei insbesondere für den planenden Architekten berechtigt. Solche Planungsleistungen könnten sich regelmäßig nur dadurch wertsteigernd auf das Grundstück auswirken, indem der ausführende Bauunternehmer unter Umsetzung dieser Planungsleistungen mit den Bauarbeiten beginnt. Dass der Gesetzgeber jedoch den Sicherungsanspruch des Architekten von der Leistungserbringung eines Dritten abhängig machen wollte, sei nicht belegt. Zweck einer solchen Sicherheit sei es, dem Unternehmer eine Absicherung seiner vertraglichen Werklohnforderung zu gewähren.
Zwar wird die Auffassung des Kammergerichts bereits teilweise auch als herrschende Meinung in der Literatur bezeichnet, eine abschließende Entscheidung seitens des BGH steht jedoch weiterhin aus.
Verfasser: Rechtsanwalt Dirk Geißler