BGH stärkt Befugnisse des Verwalters – die bisher wichtigste Entscheidung für die Verwaltungspraxis im Jahr 2024.
Der BGH (Urteil vom 5.7.24 – V ZR 241/23) hat klargestellt, dass die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über eine Kompetenzverlagerung auf den Verwalter gemäß § 27 Abs. 2 WEG nicht voraussetzt, dass in dem Beschluss ausdrücklich ein für den Verwalter verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben wird.
Was war passiert: Die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer plant die Erneuerung der Außenfenster. Nachdem ein Sachverständiger eine Prioritätenliste nebst Leistungsverzeichnis erstellt hat, wird beschlossen: „Die Verwaltung wird ermächtigt, die Erneuerung der Fensteranlagen … zu beauftragen. Es soll ein Austausch nach Dringlichkeit erfolgen. Vorab sollen nochmal drei Angebote eingeholt werden. Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei 35.000,00 EUR brutto liegen. Die Fenster sollen der Optik der bisherigen Fensteranlagen entsprechen. …“. Der Beschluss wird angefochten.
Die Entscheidung: Ohne Erfolg! Der BGH bestätigt zunächst die Beschlusskompetenz, Verwaltungsentscheidungen auf den Verwalter zu delegieren. Davon sei die Frage zu trennen, ob der so gefasste Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Im Hinblick auf eine Erhaltungsmaßnahme entspreche eine Delegation regelmäßig jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer selbst die grundlegende Entscheidung über deren Vornahme getroffen haben. Die Auftragsvergabe und die Durchführung im Einzelnen könnten sie dann ohne weiteres auf den Verwalter delegieren. Der Verwalter müsse bei der Umsetzung die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung stets beachten und sein Handeln daran ausrichten.
Was folgt daraus?
Die Entscheidungsbefugnis des Verwalters kraft Beschlusses gemäß § 27 Abs. 2 WEG ist für die Verwaltungspraxis die zentrale Vorschrift. Bisher waren Inhalt und Umfang des Delegationsbeschlusses umstritten. Der BGH macht nunmehr klare Vorgaben – jedenfalls bei der Delegation von Entscheidungen über Erhaltungsmaßnahmen. Es ist aber anzunehmen, dass dieselben Grundsätze auch für andere Bereiche der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums gelten, etwa bei Abschluss von Verträgen, Geltendmachung oder Abwehr bestimmter Ansprüche usw. Insoweit sind zu unterscheiden abstrakte Kompetenzregelungen, insbesondere für wiederkehrende „Geschäfte“, und die Delegation im Einzelfall. Hält der Verwalter eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf ihn in bestimmten Bereichen für sinnvoll, kann und sollte er einen Beschlussgegenstand (TOP) proaktiv auf die Tagesordnung setzen. Dennoch sollten Delegationsbeschlüsse – im Interesse der Gemeinschaft und! der Verwaltung – den Weg der Entscheidungsfindung konkretisieren, zB im Hinblick auf die Anzahl der einzuholenden Vergleichsangebote und das Budget. Der Verwalter sichert sein Handeln damit im Innenverhältnis ab, die Gemeinschaft dagegen muss bedenken, dass ungeachtet etwaiger Pflichtverstöße im Innenverhältnis die Maßnahmen des Verwalters wegen seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 9b I 1 WEG) im Außenverhältnis stets wirksam sind. Für einen weiten Ermessensspielraum der Gemeinschaft spricht nach dem BGH im Übrigen auch, dass ein Aufwand für (weitere) Eigentümerversammlungen vermieden und eine effiziente Verwaltung ermöglicht wird. Über das Mehrheitsumlaufverfahren in Textform hinaus gibt es also künftig weitere Möglichkeiten, Eigentümer und Verwalter vor Versammlungen „zu schützen“.
Verfasser: Carsten Küttner