Unternehmen als öffentliche Auftraggeber im Vergaberecht? Es kommt auf den Einzelfall an!
Voraussetzung für die Anwendung des Vergaberechts ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber für den eigenen Bedarf Dinge beschafft. Wer öffentlicher Auftraggeber ist, das regelt §§ 98ff. GWB. Ein Beschluss des OLG Rostock vom 22.03.2024 – 2 U 10/13 und einer des OLG Celle vom 27.08.2024 – 13 Verg 3/24 machen deutlich, wie wichtig für die Einordnung von Unternehmen als Auftraggeber im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung das Spannungsfeld zwischen dem wirtschaftlichen Agieren einerseits und den Allgemeinwohlaufgaben andererseits ist.
Das OLG Rostock hatte darüber zu entscheiden, ob eine privatrechtlich organisierte Wohnungsbaugesellschaft öffentliche Auftraggeberin i.S.d. Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern ist, das für die Klärung dieser Frage auf die Wertungen des GWB zurückgreift. Es ging um Glasfasererschließungen von Gebäuden.
So steht die privatrechtliche Rechtsform der Auftragsgebereigenschaft nicht entgegen. Schwieriger ist die Einordnung der Tätigkeit eines kommunalen Wohnungsbauunternehmens, insbesondere ob dieses sich allein von wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiten lässt. Typischerweise verbinden kommunale Wohnungsgesellschaften das Allgemeinwohlinteresse einer sozialen Wohnraumversorgung mit einer wirtschaftlichen Betätigung. Auch stellt das OLG Rostock auf den früheren Beschluss vom 02.10.2019 – 17 Verg 3/19 ab, wonach eine Tätigkeit eines kommunalen Unternehmens an einen Markt mit ausentwickelten Wettbewerbsbedingungen nicht zwingend dazu führe, dass dieses sich von ausschließlich wirtschaftlichen Erwägungen leiten lasse. Schließlich stehe eine Gewinnerzielung der Auftragsgebereigenschaft nicht entgegen, da diese die effiziente und kostensparende Erledigung der Allgemeinwohlaufgabe „soziale Wohnraumversorgung“ erst ermögliche. Die wirtschaftliche Ausrichtung der Auftragsvergabe sei aber ungewiss, wenn ausbleibende Gewinne den Fortbestand des kommunalen Wohnungsbauunternehmens nicht infrage stellen.
Das OLG Celle stellte aus Anlass der Beschaffung eines Ressourcenmanagements für eine ein Fachkrankenhaus betreibende gemeinnützige GmbH klar, Einnahmen aus einem pauschalisierenden Entgeltsystem der Krankenkasse stellen keine überwiegende öffentliche Finanzierung i.S.d. § 99 Nr. 2 a) GWB dar. Diese Entgelte seien Gegenleistung für erbrachte Behandlungen und Krankenhausaufenthalte, also gerade keine Finanzierungshilfen, etwa für das allgemeine Vorhalten des Krankenhauses. Aber selbst, wenn Finanzierungshilfen i.S.d. § 99 Nr. 2 a) GWB gezahlt würden, käme es für die Einordnung als öffentlicher Auftraggeber darauf an, ob die leistungsbezogenen, durch wirtschaftliche Betätigung erzielten Einnahmen überwiegen.
Bei allen relevanten Unterschieden der Ausgangsfälle betonen beide Entscheidungen erkennbar verschiedene abstrakte Kriterien bei der Abgrenzung der öffentlichen Auftraggeber. Während das OLG Celle den Fokus auf den Finanzierungsanteil der öffentlichen Zahlungen legt, sieht das OLG Rostock die Frage, ob ausbleibende Gewinne den Fortbestand der Tätigkeit gefährden, als wohl entscheidendes Kriterium an. Beide Entscheidungen verdeutlichen: Die Einstufung von Unternehmen als öffentlicher Auftraggeber hängt stark von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab!
Verfasser: Dr. Christian Baumann