Der siegreiche Anfechtungskläger trägt die Prozesskosten dennoch anteilig mit
Setzt sich ein Wohnungseigentümer mit seiner Anfechtungsklage erfolgreich gegen Beschlüsse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) durch, trägt gemäß der gerichtlichen Kostenentscheidung im Urteil die Beklagte, d.h. die GdWE, die Kosten des Rechtsstreits. Der Verwalter bezahlt die Prozesskosten – in der Regel für Gericht und zwei Rechtsanwälte für ein oder zwei Instanzen – vom gemeinschaftlichen Girokonto. Da es sich um einen Geldabfluss aus dem Gemeinschaftsvermögen der GdWE handelt, ist die Ausgabe in die Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzunehmen und unter den Wohnungseigentümern zu verteilen. Welcher Verteilerschlüssel anzuwenden ist, war umstritten. Mit Urteil vom 19.07.2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechtsfrage geklärt.
Worum geht es?
Drei von acht Wohnungen gehören den Klägerinnen, die in einem Vorprozess mehrere Beschlüsse einer Eigentümerversammlung, die im Jahr 2021 stattfand, anfochten und bei Gericht gewannen. Die Kosten beider Rechtsanwälte, die Gerichtskosten sowie Prozesszinsen in einer Gesamthöhe von 6.393,62 EUR wurden aus dem Gemeinschaftsvermögen bezahlt. In der Gemeinschaftsordnung ist vereinbart, dass Verwaltungskosten abweichend vom gesetzlichen Verteilerschlüssel (Miteigentumsanteile) zu gleichen Teilen umgelegt werden. Um die Ausgabe zu finanzieren, wurde in einer Eigentümerversammlung am 27.04.2022 eine Sonderumlage über 6.393,62 EUR beschlossen, verteilt nach Einheiten zu je 1/8 (799,21 EUR) und fällig binnen 14 Tagen nach Beschlussfassung. Diesen Beschluss fochten die Klägerinnen ebenfalls an. Sie sind der Meinung, von den Prozesskosten im Innenverhältnis freigestellt werden zu müssen, um die in Rechtskraft erwachsene Kostenentscheidung des Gerichts aus dem Vorprozess nicht „durch die Hintertür“ zu unterwandern.
Die Entscheidung
Der BGH sieht das anders. Mit Urteil vom 19.07.2024 (Aktenzeichen V ZR 139/23) entschied er, dass zu den Kosten der Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG auch Prozesskosten gehören, und zwar auch dann, wenn es um Beschlussklagen über die interne Willensbildung innerhalb der GdWE gehe. Hauptargument ist, dass Beschlussklagen seit dem 01.12.2020 gegen die GdWE zu richten seien und nicht mehr – wie bis zum 30.11.2020 – gegen die übrigen Eigentümer. Daher sei der angewendete Kostenverteilungsschlüssel richtig. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die Erhebung einer Sonderumlage. Der Mehrheit in der GdWE sei ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, der es erlaube, Ausgaben nicht über Ansätze (Vorschüsse oder Zuführung zu einer Prozesskostenrücklage) im Wirtschaftsplan oder in der Jahresabrechnung finanzieren zu müssen. Als Ergänzung zum Wirtschaftsplan (Sondervorschuss) komme auch eine Sonderumlage als Finanzierungsmittel in Betracht.
Folgen für die Praxis
Wohnungseigentümer haben seit Entdeckung der Rechtsfähigkeit der GdWE und des Paradigmenwechsels zum 01.12.2020 eine Doppelrolle. Einerseits sind sie Alleineigentümer ihres Sondereigentums und Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums. Zugleich sind sie Mitglieder der rechtsfähigen GdWE. Diese finanziert sich über das Hausgeld, das von den Eigentümern nach entsprechender Beschlussfassung über Vorschüsse, Nachschüsse und Sonderumlagen in die Gemeinschaftskasse zu zahlen ist.
Angesprochen, aber offengelassen hat der BGH, ob es gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG möglich wäre, zu beschließen, dass Sieger erfolgreicher Beschlussklagen im Innenverhältnis von einer Kostenbeteiligung befreit werden. Die Beschlusskompetenz besteht unzweifelhaft. Die Frage, ob ein solcher Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspräche, ist weniger leicht zu beantworten. Eine generelle Kostenbefreiung ist mit der Schwierigkeit verbunden, dass in dem juristisch maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung die Vielzahl denkbarer Varianten künftiger Beschlussklagen nicht überblickt werden kann. Etwas leichter fällt es, die Kosten eines konkret beendeten Rechtsstreits intern zu verteilen, wobei sich hier Rückwirkungsprobleme unter Vertrauensgesichtspunkten ergeben können. Eines steht indes fest: wird der Beschluss nicht gerichtlich angefochten, erwächst er in Bestandskraft und muss berücksichtigt werden.
Die Ausführungen des BGH gelten entsprechend für andere Beschlussklagen, also beispielsweise eine Nichtigkeitsfeststellungsklage, Ergebniskorrekturklage oder Beschlussersetzungsklage. Denn auch diese richten sich gegen die GdWE und unterfallen mithin dem gemeinschaftlichen Finanzierungssystem. Schließt der Verwalter mit dem Beklagtenanwalt eine Vergütungsvereinbarung ab, etwa eine Vergütung nach Stundenaufwand, eine Streitwertvereinbarung oder eine pauschale Zusatzvergütung zum gesetzlichen Anwaltshonorar, sind auch diese Kosten dem siegreichen Kläger anteilig mit aufzuerlegen.
Wird eine Beschlussklage hingegen rechtskräftig abgewiesen und hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, darf der Verwalter die von Klägerseite aufgewendeten Prozesskosten (z.B. Gerichtskostenvorschuss, Klägeranwalt) nicht aus der Gemeinschaftskasse bezahlen. Den für die GdWE mandatierten Rechtsanwalt darf der Verwalter aus der Gemeinschaftskasse bezahlen.
Zur Verteilung außergerichtlicher anwaltlicher Kosten für Beratung oder Vertretung der GdWE musste der BGH sich nicht äußern. Hier gibt es mangels einer gerichtlichen Kostenentscheidung nicht das Spannungsverhältnis zwischen Außenverhältnis und Innenverhältnis. Die aufgezeigten Grundsätze dürften aber auch hier zur Anwendung kommen, d.h. grundsätzlich zahlen alle mit.
Verfasser: RA Dr. Jan-Hendrik Schmidt