Textform statt Schriftform: (K)eine Bürokratieentlastung?
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV und die Einführung der Textform
- Das Schriftformerfordernis im Gewerberaummietrecht
Bislang sah das Mietrecht vor, dass Mietverträge die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wurden, für unbestimmte Zeit galten. Dies ermöglichte es, trotz einer vereinbarten Festlaufzeit, den Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich zu kündigen. Bei gewerblichen Mietverhältnissen beträgt diese in der Regel sechs Monate zum Quartalsende (§ 580a Abs. 2 BGB).
Die Schriftform setzte voraus, dass die Vertragsurkunde von beiden Parteien eigenhändig unterzeichnet und alle wesentlichen Vertragsbestandteile – wie beispielsweise Parteien, Mietobjekt, Miethöhe und Laufzeit – schriftlich in einer Urkunde festgehalten werden. Zudem mussten alle Anlagen, Nachträge und Ergänzungen, die wesentliche Vertragsinhalte enthielten, mit der Ursprungsurkunde verbunden sein (sog. „Einheitlichkeit der Urkunde“). Eine gedankliche Verbindung durch klare Verweise reichte zu diesem Zweck nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus.
Hierdurch sollte primär der potentielle Erwerber eines Grundstücks, der nach § 566 Abs. 1 BGB anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, dahingehend geschützt werden, dass er den Inhalt des geschlossenen Mietvertrags bereits vor Ankauf klar erkennen kann.
In der Praxis wurde die „Schriftformkündigung“ jedoch häufig genutzt, um sich – vielfach auch ohne das Vorliegen eines Erwerbsfalls – vorzeitig von lästig gewordenen Mietverträgen zu lösen.
- Das Textformerfordernis im Gewerberaummietrecht
Ab dem 1. Januar 2025 ersetzt § 578 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB in der neuen Fassung für die Gewerberaummiete die Schriftform durch die Textform:
„§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“
Damit ist künftig bei Gewerberaummietverträgen keine eigenhändige Unterschrift mehr erforderlich. Die Textform wird bereits durch eine lesbare Erklärung erfüllt, die den Erklärenden erkennen lässt und auf einem dauerhaften Datenträger – wie E-Mail oder SMS – abgegeben wird (§ 126b BGB).
Die Reform soll digitale Vertragsabschlüsse erleichtern und gleichzeitig Kündigungsmöglichkeiten im laufenden Mietverhältnis einschränken.
- Auswirkungen auf die Praxis der Gewerberaummiete
Obwohl die Textform in einer immer stärker digitalisierten Geschäftswelt eine zügigere Vertragsgestaltung ermöglicht, hat der Gesetzgeber des BEG IV es bedauerlicherweise versäumt, den angestrebten Zweck – insbesondere die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten – zu erreichen. Stattdessen hat die Gesetzesänderung neue Rechtsunsicherheiten geschaffen.
Erfordernis der Urkundeneinheit:
Während die Schriftform eine einheitliche Urkunde verlangte (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB), lässt sich dies für die Textform – jedenfalls unmittelbar aus § 126b BGB – nicht entnehmen. Ob die Anforderungen an die Einheitlichkeit des Vertrags auch bei der Textform greifen, bleibt demnach offen. Der Gesetzesbegründung zufolge, soll jedenfalls das Informationsinteresse potenzieller Erwerber gewahrt bleiben.
Aufgrund der unzureichenden Gesetzesbegründung hinsichtlich des Umgangs mit der ursprünglich für einseitige Erklärungen – wie beispielsweise den Widerruf – konzipierten Textform, bleibt jedoch abzuwarten, ob die Rechtsprechung die Textform beispielsweise auch dann als gewahrt ansieht, wenn der Vermieter den Vertrag als PDF übersendet und der Mieter das Angebot per einfacher E-Mail annimmt. Auch hinsichtlich späterer Nachträge stellt sich die Frage, ob weiterhin eine lückenlose Bezugnahme erforderlich ist. Für die künftige Vertragsgestaltung sollte hiervon vorsorglich ausgegangen werden.
Beweisfunktion: In der Gesetzesbegründung spielt die vom Bundesgerichtshof für die Schriftform betonte Übereilungsschutz- und Beweisfunktion keine Rolle mehr, sodass offenbleibt, ob diese Funktionen künftig entfallen oder lediglich der Erwerberschutz im Vordergrund steht.
Immobilientransaktionen: Schließlich wird die Gesetzesänderung voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf Immobilientransaktionen haben. Erwerber müssen möglicherweise angesichts einer Vielzahl möglicher Datenträger aufwendigere Prüfungen durchführen oder strengere Garantievereinbarungen treffen, um das erhöhte Transparenzrisiko zu kompensieren.
- Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Einführung der Textform hat das Ziel der Bürokratieentlastung im Wesentlichen verfehlt, und ist zwar ein Schritt in Richtung einer modernen Vertragsgestaltung – birgt jedoch Herausforderungen, die in der Praxis sorgfältig adressiert werden müssen. Nicht nur die vorgenannten Unklarheiten führen zu einer Herausforderung, insbesondere auch mündliche Nebenabreden stellen im Zusammenhang mit etwaigen Festlaufzeiten nicht nur im Erwerbsfall weiterhin ein erhebliches Risiko dar.
Für die Praxis empfiehlt es sich:
Übergangsfrist beachten: Für Bestandsmietverträge gilt bis zum 1. Januar 2026 eine Übergangsregelung, sodass Verstöße gegen die Schriftform weiterhin zur ordentlichen Kündigung berechtigen.
Vertragsmuster anpassen: Prozesse und Vertragsmuster sollten überarbeitet werden. Angesichts der genannten Unwägbarkeiten erscheint es ratsam, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Vereinbarung der Fortgeltung der Schriftform abzusehen. Eine solche Regelung könnte nicht nur nach § 305b BGB unwirksam sein (vgl. § 305b BGB, BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16), sondern es besteht zudem das Risiko, dass der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, § 125 S. 2 BGB.
Empfangsbestätigung einfordern: Da davon auszugehen ist, dass die Textform nur dann als gewahrt gilt, wenn dem Erklärungsempfänger die Annahmeerklärung beziehungsweise der Vertrag tatsächlich zugeht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – III ZR 368/13), empfiehlt es sich in der Praxis, den Empfang von Verträgen oder Nachträgen dokumentieren zu lassen, um die Einhaltung der Textform zu gewährleisten.