(Un)Wirksamkeit von Change-of-Control-Klauseln im Miet- und Pachtvertrag: Keine Kündigung wegen Gesellschafterwechsel der Mietergesellschaft?
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.02.2025 – 2 U 35/24
(vorhergehend: LG Wiesbaden, 07.03.2024 – 2 O 305/23)
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass eine sogenannte „Change-of-Control-Klausel“ in einem Miet- oder Pachtvertrag mit einer juristischen Person den Vertragspartner in der Regel unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist. Vermieter und Verpächter müssen bei juristischen Personen grundsätzlich mit einem Gesellschafterwechsel rechnen.
Das Urteil ist insoweit bedeutsam, als es, soweit ersichtlich, bislang keine veröffentlichte Rechtsprechung zu Change-of-Control-Klauseln im gewerblichen Miet- und Pachtrecht gibt (vgl. auch Guhling/Günter/Baldus, 3. Aufl. 2024, BGB Anh. § 584b Rn. 192). Es stärkt die unternehmerische Handlungsfreiheit von Pächter- bzw. Mietergesellschaften.
Sachverhalt
Der Verpächter forderte die Räumung und Herausgabe von Räumen, in denen die beklagte Pächterin, eine GmbH, ein Hotel betreibt.
Während der Vertragslaufzeit übertrug der bisherige Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Pächterin seine Anteile auf den jetzigen Geschäftsführer und Alleingesellschafter. Der Verpächter war der Auffassung, der nunmehrige Geschäftsführer der Pächterin verfüge nicht über eine ausreichende Qualifikation zum Betrieb eines Hotels, weshalb er die außerordentliche fristlose Kündigung des Vertrages erklärte. Der als „Mietvertrag“ überschriebene Pachtvertrag enthielt folgende (Change-of-Control-) Klausel:
Der Mieter ist ohne Einwilligung des Vermieters weder zur Untervermietung noch zur sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt. […] Bei Firmen gilt ein Wechsel des Inhabers oder eine Änderung der Rechtsform als Gebrauchsüberlassung.
Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt verneinte – anders als noch das LG Wiesbaden – einen Anspruch des Verpächters auf Räumung und Herausgabe. Der Pachtvertrag war weder wegen einer unbefugten Gebrauchsüberlassung an einen Dritten wirksam gekündigt worden, noch aufgrund der Generalklausel gemäß §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB wegen des Vorliegens eines (anderen) wichtigen Grundes, der dem Verpächter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens des Pächters, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Festlaufzeit unzumutbar sein ließ. Zwar stellt eine unbefugte Gebrauchsüberlassung der Pachtsache an Dritte gemäß §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung dar. Eine derartige unzulässige Gebrauchsüberlassung lag nach Auffassung des OLG Frankfurt jedoch nicht vor. Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers ändern an der Person des Pächters nichts. Die juristische Person bleibt dieselbe, so dass eine Gebrauchsüberlassung an einen Dritten nicht vorliegt.
Auch ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Bestellung eines neuen Geschäftsführers kein Fall des „Wechsels des Inhabers einer Firma“. Während im ersteren Fall der Pächter derselbe bleibt, kommt es beim Wechsel des Inhabers einer Firma zu einem Austausch des Pächters, der ohnehin nur mit dem Einverständnis des Verpächters wirksam geworden wäre. Der Anwendungsbereich der außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen der unerlaubten Gebrauchsüberlassung ist mithin nicht berührt.
Das OLG Frankfurt befasste sich dann mit der Frage, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pächters vorliegt, die die fristlose Kündigung nach der Generalklausel gemäß §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigt.
Legt man die Klausel im Pachtvertrag als sog. „Change-of-Control-Klausel“ aus, verstößt die Klausel nach Auffassung des OLG Frankfurt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Gericht stellt dabei nicht fest, welche konkreten Inhalt eine solche „Change-of-Control-Klausel“ hat, so dass eine unangemessene Benachteiligung unabhängig von dem Inhalt der Sanktionsmöglichkeiten des Verpächters (z.B. Zustimmungserfordernis oder Sonderkündigungsrecht im Falle des Kontrollwechsels) bejaht wird. Die Klausel war als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen. Derartige Klauseln sind nur zulässig, wenn der Verpächter ein besonderes berechtigtes Interesse an der Person des Vertragspartners hat. Wer mit einer juristischen Person kontrahiert, genießt jedoch nur ein sehr begrenztes Schutzbedürfnis. Der Verpächter ist durch die Überlassung des Objekts zu einem bestimmten Zweck bereits vor einer unabgestimmten Verwendung geschützt. Schließlich ist der Verpächter auch durch die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten bei Nichterfüllung des Vertrages hinreichend geschützt.
Was das Urteil für die Praxis bedeutet: Zwei Kernbotschaften
🡪 Gesellschafterwechsel der Mietergesellschaft berechtigt Vermieter/Verpächter auch bei Vereinbarung einer Change-of-Control-Klausel in der Regel nicht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung
Ein Gesellschafterwechsel bei juristischen Personen berechtigt grundsätzlich nicht zur außerordentlichen Kündigung des Miet- oder Pachtvertrags. Vermieter und Verpächter, die ein besonderes Interesse an der Person des Vertragspartners haben (z. B. wegen Bonität oder Expertise), sollten dies – nicht nur aus Transparenzgründen – konkret vertraglich festlegen (vgl. Zehelein in Westphalen, Graf von/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke Werkstand: 50. EL März 2024 Rn. 12) und möglichst individuell vereinbaren.
Vermieter und Verpächter sollten daher ihre Standardformulare prüfen und anpassen.
🡪 Vermutung für das Vorliegen von AGB aufgrund äußerer Erscheinungsform
Im Rahmen der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main wurde erneut klargestellt: Ein Vertrag kann schon aufgrund seiner äußeren Gestaltung als Formularvertrag eingestuft werden. Für die Vermutung einer AGB genügt bereits, dass die Klausel optisch und formal in ein Vertragsformular eingebettet ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 3. 11. 1999 – VIII ZR 269/98). Dem beweisbelasteten Vertragspartner des AGB-Verwenders kommt insoweit eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen über den „Anscheinsbeweis“ zugute (vgl. auch Guhling/Günter/Guhling, 3. Aufl. 2024, BGB § 305 Rn. 66).
Verfasserin: RAin Lisa Gündoğdu
