Befreiungen von B-Plan-Festsetzungen nun auch ohne neue Bauleitplanung möglich
Das Baulandmobilisierungsgesetz ist am 21.06.2021 in Kraft getreten. Mit ihm wurde auch ein neuer Befreiungstatbestand in § 31 Abs. 3 BauGB geschaffen:
„(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann.“
Der Hamburger Senat hat am 13.07.2021 die „Verordnung über die Bestimmung der Freien und Hansestadt Hamburg als Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt nach § 201a BauGB“ beschlossen und damit den Weg für die Anwendung des neuen Befreiungstatbestands frei gemacht. Damit besteht nun die Möglichkeit, befristet bis zum 31.12.2026 Bauvorhaben voranzubringen, die umfangreiche Befreiungen zugunsten des Wohnungsbaus erfordern, für die nach altem Recht die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans erforderlich gewesen wäre.
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat sich in einem Eilverfahren bereits zu grundlegenden Anwendungsfragen des neuen Befreiungstatbestands, insbesondere seinem Verhältnis zu § 31 Abs. 2 BauGB, geäußert und verschafft Bauherren damit frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit (Beschluss vom 16.08.2021, 2 Bs 182/21). So geht der neue Befreiungstatbestand dem „alten“ als speziellere Regelung vor. Das Erfordernis aus § 31 Abs. 2 BauGB, dass eine Befreiung nur dann erteilt werden kann, wenn die „Grundzüge der Planung“ nicht berührt werden, ist deshalb kein Ausschlusskriterium für eine Befreiung mehr, solange die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BauGB im Einzelfall vorliegen.
Auf Rechtsfolgenseite hat das Oberverwaltungsgerichts dem neuen § 31 Abs. 3 BauGB einen weitreichenderen Ermessensspielraum der Behörde zugesprochen, als dies für § 31 Abs. 2 BauGB anerkannt ist, weil die Norm schon auf Tatbestandsebene ein sehr detailliertes und dichtes Regelungsgefüge vorweist.
Auch nach dem neuen § 31 Abs. 3 BauGB muss die Befreiung jedoch städtebaulich vertretbar sein. Dies ist der Fall, wenn sie im Rahmen der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans abwägungsfehlerfrei planbar wäre. Als Faustformel gilt: Das Vorhaben ist städtebaulich vertretbar, wenn es sich – bei Hinwegdenken des Bebauungsplans – in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügen würde. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
Verfasser: RA Bjarne Brummund