Die BGH-Entscheidung in der Gewerberaummiete in der Coronakrise
Die mit Spannung in der Gewerberaummiete erwartete Entscheidung des BGH zum Thema der pandemiebedingten, behördlich angeordneten Betriebsschließungen und deren Auswirkungen auf die Mietzahlungspflicht von Gewerbemietern ist am 12. Januar 2022 ergangen (BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, BeckRS 2022, 48) und lässt viele Fragen offen.
Bei dem gegenständlichen Verfahren ging es um die Mietzahlungsverpflichtung der Beklagten (Mieterin) für ein Einzelhandelsgeschäft, das aufgrund der sich im März 2020 ausbreitenden COVID-19-Pandemie und einer damit einhergehenden Allgemeinverfügung des Landes Sachsen geschlossen bleiben musste. Das LG Chemnitz (BeckRS 2020, 42519) hatte die Mieterin zur vollen Mietzahlung verurteilt. Nach Auffassung des LG Chemnitz lag weder ein Mangel noch die Unmöglichkeit der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung vor noch kam eine Vertragsanpassung auf der Grundlage des § 313 BGB in Betracht. Das daraufhin angerufene OLG Dresden (BeckRS 2021, 2461) hat eine Vertragsanpassung auf der Grundlage des § 313 Abs. 1 BGB dahingehend vorgenommen, dass die Beklagte (Mieterin) für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung die Hälfte der vereinbarten Kaltmiete zu zahlen hat, da das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein träfe.
Der BGH hat das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und an das OLG Dresden zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Wie zuvor das OLG Dresden ist der BGH zwar der Ansicht, dass die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB führe. Ebenso wenig würde die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich. Vielmehr komme im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Anders als das OLG Dresden hält der BGH jedoch eine pauschale Betrachtungsweise nicht für angemessen. Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtige noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr werde verlangt, dass dem betroffenen Vertragspartner ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Für die Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem Vertrag unzumutbar sei, seien sämtliche Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Es seien auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters seien zu berücksichtigen. Dabei seien rückzahlbare Hilfen wie Darlehen nicht zu berücksichtigen. Durch die Mietkürzungen dürfe es nicht zu einer Überkompensation der entstandenen Verluste kommen. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters sei dagegen nicht erforderlich. Daneben seien aber auch die Interessen des Vermieters zu beachten.
Für die Beratungspraxis unglücklich, hat der BGH keine umfassenden und klaren Vorgaben für die Ermittlung einer in Betracht kommenden Mietzinsreduktion gemacht. Die Leitplanken, die der BGH für die Abwägung aufgestellt hat, sind eher schmal. Als Kriterien hat der BGH lediglich Ansatzpunkte genannt, die für eine Beurteilung einer Anpassung herangezogen werden können. Im Rahmen einer Einzelfallabwägung müssen die Gerichte nun festzustellen, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Zu berücksichtigen ist nach der Entscheidung des BGH ein möglicher Umsatzrückgang bezogen auf das konkrete Mietobjekt (nicht auf Konzernumsatz), welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um drohende Verluste während der Geschäftsschließung zu mindern und die Höhe von etwaigen Kompensationsleistungen (wie Wirtschaftshilfen und Betriebsschließungsversicherungen). Die Prüfung erfordert daher in der Praxis auch ein hohes Maß an wirtschaftlichen Kenntnissen über Wirtschaftshilfen. Außerdem bleibt weiterhin offen, wie die einzelnen Interessen der Vertragsparteien zu gewichten sind. Insoweit besteht auch nach dem Urteil des BGH erhebliche Unsicherheit. Es bleibt den einzelnen Gerichten überlassen, sämtliche Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Eine einheitliche Rechtsprechung ist daher aufgrund der jeweiligen Einzelfallentscheidung nicht zu erwarten.
Verfasserin: RAin Dr. Cathrin Isenberg