Neue Möglichkeiten durch das Baulandmobilisierungsgesetz
Am 23.06.2021 ist das Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft getreten. Neben viel diskutierten Eingriffen wie dem Umwandlungsverbot, stärkeren Baugeboten und erweiterten Vorkaufsrechten bringt das Gesetz, wie sein Name vermuten lässt, auch neue Chancen mit sich. Aus den Neuregelungen ergeben sich im Einzelfall erhebliche Entwicklungspotentiale. Wegen der Befristung vieler Regelungen lohnt es sich, den Weg zur Baurechtsschaffung frühzeitig anzugehen.
- Was bisher geschah…
Die seit Jahrzehnten anhaltende Knappheit an (bezahlbarem) Wohnraum, jedenfalls in den häufig nachgefragten Regionen der Republik, war auch für die damals neue (und alte) große Koalition der Regierungsparteien nach der Wahl in 2017 keine Überraschung. Im Rahmen des Koalitionsvertrages vom 12.03.2018 einigte man sich darauf, dass dieses Mal die Kommunen bei der Belebung von Bauland unterstützt werden sollten. Zur Vorbereitung eines neuen Gesetzes wurde eine “Expertenkommission” gebildet. Diese legte am 02.07.2019 eine Handlungsempfehlung vor. Auf dieser baut das kürzlich in Kraft getretene Gesetz auf. Die Konsequenzen sind weitreichend. Unabhängig vom Wahlausgang am 26.09.2021 dürfte sich an den jetzt geschaffenen Regelungen so schnell nicht wieder etwas ändern. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Neuregelungen ist daher für jeden Immobilienprofi unerlässlich.
- Änderungsgesetz
Bei dem Baulandmobilisierungsgesetz handelt es sich nicht um ein in sich geschlossenes Werk, in dem die neuen Ideen und Regeln des Gesetzgebers geordnet nachzulesen wären. Vielmehr handelt es sich um ein Änderungsgesetz, mit welchem bereits bestehende Gesetze abgeändert werden. In diesem Fall vorrangig das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO).
- Inhalte
Teile der Änderungen durch das BaulMobG sind Interessierten und Immobilienprofis längst bekannt. Besonders aber diejenigen Teile, die neue Chancen und Optionen bieten, sind noch nicht in aller Munde. Im Einzelnen:
a. Das Umwandlungsverbot
Gut bekannt und auch in der Presse (zu Recht) mit vielen Emotionen aufgenommen ist das, was landläufig als “Umwandlungsverbot” beschrieben wird. Rechtstechnisch handelt es sich um eine Regelung in § 250 BauGB, die einen Genehmigungsvorbehalt statuiert. Bestandsbauten in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten dürfen – stark vereinfacht – dann nicht mehr ohne Weiteres in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden, wenn sich in dem Gebäude mehr als fünf Wohnungen befinden. Die Landesregierung erhalten zudem die Möglichkeit diese Kennzahl auf bis zu 3 zu reduzieren oder auf bis zu 15 Wohnungen zu erhöhen.
Dem Modell zahlreicher Investoren und gewerblicher Immobilieneigentümer, größere Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese (ggf. nach werterhöhender Sanierung) abzuverkaufen, sollte durch die Politik ein Riegel vorgeschoben werden. Treibende Kräfte für die Neuregelung waren die Angst vor Umwandlungen von Eigentümerstrukturen und die vielzitierte Verdrängungsgefahr.
Die Frage, ob die Neuregelung mit Blick auf den Wunsch der Bevölkerung nach selbstgenutztem Wohneigentum (auch zur Altersvorsorge) wohnungs- und sozialpolitische Ziele nicht konterkariert, ist zumindest zu stellen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der in Deutschland niedrigen Wohneigentumsquote von nur 51 % und der Tatsache, dass die Gemeinden es über die Schaffung von Milieuschutzsatzung auch ohne die Neuregelung schon in der Hand hatten, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu steuern.
Zu der Neuregelung gilt eine Vielzahl an Einschränkungen und Ausnahmen, die hier nicht im Einzelnen besprochen werden kann. Einen Katalog ausdrücklicher Ausnahmen von der Neuregelung enthält § 250 Abs. 3 BauGB. Dieser ist jedoch nicht abschließend. Weitere Ausnahmen sind u.a. an § 250 Abs. 4 BauGB zu messen. Zu der Frage, ob konkrete Ausnahmetatbestände erfüllt sind, oder ob eine Aufteilung nicht über anderweitige Gestaltungsmöglichkeiten doch möglich ist, beraten wir bei Bedarf gern.
b. Große Chance: Aus Obergrenzen werden Orientierungswerte
Eine der größten Chancen des BaulMobG bringt die Änderung des § 17 BauNVO mit sich. Dort waren bislang feste Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung im Gebiet eines Bebauungsplans festgesetzt. Bei der Frage also, wieviel Grundfläche auf einem Flurstück versiegelt werden darf (Grundflächenzahl = GRZ) und der Frage danach, wie viel Quadratmeter Fläche in den Vollgeschossen in Relation zur Grundstücksgröße errichtet werden darf (Geschossflächenzahl = GFZ) war die Gemeinde bisher an die strengen Vorgaben der bundeseinheitlichen Tabelle in § 17 BauNVO gebunden. Abweichungen von den Tabellenwerten waren städtebaulich nur schwer zu rechtfertigen und mussten im Zweifel einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten. Dies führte naturgemäß zu Verunsicherung bei den Gemeinden mit der Folge, dass nur zurückhaltend Ausnahmen von den Tabellenwerten zugelassen wurden.
Nach der Neuregelung gelten die Tabellenwerte für das jeweilige Baugebiet nur noch als Orientierungswerte. Auch wenn die Gemeinden noch immer nicht gänzlich frei entscheiden können und die Grenze dort liegt, wo das städtebauliche Mikroklima in starkem Maße negativ verändert wird, ist die Gestaltungsfreiheit massiv erweitert.
Für die Pläne der Nachverdichtung in den Schubladen der Bauwilligen, die bisher am fehlenden Mut der Gemeinden scheiterten, bestehen nun möglicherweise sehr realistische Chancen.
c. Neuer Bebauungsplan zu Wohnraumversorgung
Zu den weiteren Neuerungen zählt die Möglichkeit der Schaffung eines gesonderten (sektoralen) Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung, § 9 Abs. 2 d BauGB. Ohne die Komplexität der Schaffung eines qualifizierten Bebauungsplans erhalten die Gemeinden hier die Möglichkeit, steuernd dort einzugreifen, wo dies bisher nur sehr begrenzt möglich war. Im Zusammenhang bebaute Ortsteile gem. § 34 BauGB ließen sich bisher durch den Eigentümer auch ohne Zustimmung der Gemeinde maßvoll fortentwickeln. Wegen des sog. Koppelungsverbots war es den Gemeinden hier aber nicht möglich, die Vorhabenträger signifikant an den Kosten nachfolgend erforderlicher Infrastruktur (z.B. Kitas oder Grundschulen) zu beteiligen. Während dies über städtebauliche Verträge oder Folgekostenverträge immer dann möglich war, wenn noch keine Bebaubarkeit eines Gebiets gegeben war, fehlte den Gemeinden im unbeplanten Innenbereich oft ein derartiges Instrument. Die Neuregelung ermöglicht dies jetzt und lässt insbesondere die soziale Wohnraumförderung über Miet- oder Belegungsbindungen zu.
d. Neue Vorkaufsrechte für die Gemeinden
Eine weitere, ebenfalls viel diskutierte Neuerung ist die Erweiterung der gemeindlichen Vorkaufsrechte. Nach altem Recht bezog sich das Vorkaufsrecht (im Geltungsbereich von §§ 30, 33 und 34 Abs. 2 BauGB) nur auf unbebaute Grundstücke. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war dies restriktiv zu handhaben, sodass ein Vorkaufsrecht schon dann ausschied, wenn ein Grundstück lediglich mit einer Einfriedung oder erkennbar vorläufig bebaut war. Durch die Neuregelung in § 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat der Gesetzgeber dieser beliebten Vermeidungsstrategie eine Absage erteilt.
Zusätzlich ist mit § 24 Abs. 1 Nr. 8 BauGB eine Neuregelung geschaffen, bei der die Gemeinde ein Vorkaufsrecht auf sog. Schrott- oder Problemimmobilien erhält. Das ist dann der Fall, wenn ein städtebaulicher Missstand vorliegt und die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld aufweisen. Ob und wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Insgesamt steht zu erwarten, dass die Bedeutung der Regelungen zu den Vorkaufsrechten auch weiterhin überschaubar bleibt. Durch Ausnahmevorschriften, gesetzliche Abwendungsmöglichkeiten (u.a. § 27 BauGB) und die strategische Einkleidung etwaiger Transaktionen, z.B. in Share-Deals, bestehen weiterhin ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten zur Abwendung gemeindlicher Vorkaufsrechte.
e. Signifikant erweiterte Befreiungsmöglichkeiten
Neu und chancenreich sind auch die Änderungen zur Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten in § 31 BauGB. Auch die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung zählen nun ausdrücklich zu den Gründen des Wohls der Allgemeinheit, aus denen eine Befreiung erteilt werden darf. Die Grenzen der Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB liegen jedoch weiterhin dort, wo die Grundzüge der Planung berührt werden. Während diese Grenze bei der Art der baulichen Nutzung (Wohnen, Gewerbe, Industrie etc.) schnell erreicht sein dürfte, besteht für die Befreiung vom Maß der baulichen Nutzung nunmehr ein deutlich erweiterter Spielraum.
Noch weitgehender ist die Neuregelung in § 31 Abs. 3 BauGB nach der mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden kann, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Das bedeutet, dass in diesem Fall sogar Befreiungen erteilt werden können, obwohl die Grundzüge der Planung berührt sind.
f. Änderungen in § 34 Abs. 3a und § 35 Abs. 4 BauGB
Schon seit einigen Jahren haben die Gemeinden die Möglichkeit, Vorhaben im Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB zu genehmigen, obgleich sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung nicht einfügen. Das war bisher jedoch nur “im Einzelfall” möglich. Diese Einschränkung ist mit dem BaulMobG gefallen, sodass nunmehr selbst eine (schleichende) städtebauliche Umstrukturierung des betroffenen Bereichs möglich ist.
Zu den Änderungen in § 35 BauGB zählt, dass eine erleichterte Nutzungsänderung nach Abs. 4 nicht mehr nur einmalig zulässig ist. Vielmehr können Nutzungsänderungen auf der Grundlage (ehemaliger) Privilegierungen jetzt mehrfach erfolgen. In § 35 Abs. 4 S.1 Nr. 1 f) BauGB gilt nun, dass nach der Nutzungsänderung einer Hofstelle nicht mehr nur drei, sondern nun bis zu fünf Wohnungen realisiert werden können.
g. Baugebote
Die bisherigen Möglichkeiten der Gemeinden, die Eigentümer*innen von Grundstücken zum Bau zu verpflichten, wurden erweitert. Während die Eigentümer*innen bisher nur verpflichtet werden konnten, das Grundstück plankonform (also in Ausnutzung des bestehenden Bebauungsplans) auszunutzen, können sie nun explizit verpflichtet werden das Grundstück mit einem oder mehreren Wohneinheiten zu bebauen, § 176 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Ob die Ausweitung der Möglichkeiten wie politisch gewünscht Früchte trägt, bleibt abzuwarten. Schon die bisherigen Ermächtigungen wurden durch die Gemeinden selten ausgenutzt, was maßgeblich daran liegen dürfte, dass für die Schwere derartiger Eingriffe oft die politische Akzeptanz fehlt. Nicht zuletzt bestehen auch hier wirksame Vermeidungsstrategien.
- Fazit
Die Änderungen durch das Baulandmobilisierungsgesetz sind zahlreich und zum Teil schwerwiegend. Neben intensiven Einschränkungen (Umwandlungsverbote, Baugebote, erweiterte Vorkaufsrechte) erweitert das Änderungsgesetz andererseits die Möglichkeiten der Bauwilligen (Ausweitung beim Maß der baulichen Nutzung, erweiterte Möglichkeiten im Außenbereich, vereinfachte Befreiungen, neue Bebauungsplantypen). Es wird seinem Namen also wenigstens in Teilen gerecht.
Eindeutig ist jedoch, dass die Möglichkeiten, die das BaulMobG zur Baurechtschaffung bietet, von Eigentümer*innen, Investor*innen oder Projektentwickler*innen in aller Regel nicht ohne das Zutun der Gemeinden und Genehmigungsbehörden ausgeschöpft werden können. Nachdenklich stimmt, dass die Gemeinden es schon immer in der Hand hatten, das Planrecht so zu gestalten, dass Neues entstehen kann. Nur aus eigenem Antrieb geschah oft wenig. Es wird also weiterhin an den Bauwilligen liegen, den Stein in Rollen zu bringen.
Das bedeutet nicht automatisch, dass die Bauwilligen als demütige Bittsteller an die Gemeinden und Genehmigungsbehörden herantreten müssen. Oft besteht sogar ein direkter Anspruch auf die Umsetzung der geplanten Projekte. In aller Regel führt nur eine ausgewogene Mischung aus rechtlich fundierter Beratung und Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Entscheidungsträgern zum Erfolg. Auch dafür stehen WIR.
Als Ansprechpartner im öffentlichen Baurecht stehen Ihnen Herr Rechtsanwalt Bjarne Brummund und Herr Rechtsanwalt Tom Forster gern zur Verfügung.
Verfasser: RA Tom Forster