Vorkaufsrechte – Aktuelle Entwicklungen und Chancen
In nahezu jedem Erwerbsvorgang spielen Vorkaufsrechte mittlerweile eine Rolle. Für institutionelle Investoren handelt es sich wegen der damit einhergehenden Unsicherheiten oft um ein leidiges Thema.
Besonders in den Stadtstaaten, in denen aus Angst vor Gentrifizierung zahlreiche Erhaltungsgebiete festgesetzt sind, hat das gemeindliche Vorkaufsrecht in den letzten Jahren eine spürbare Renaissance erlebt. So machte die Gemeinde häufig schon dann vom Vorkaufsrecht Gebrauch, wenn sie durch die Transaktion eine Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung auch nur entfernt befürchtete. Die Bezirksämter insbesondere in Hamburg und Berlin übten regelmäßig schon mit der Begründung Vorkaufsrechte aus, dass zukünftig damit zu rechnen sei, dass der Erwerber bauliche Maßnahmen durchführen und auf deren Basis Mieterhöhungen durchsetzen würde. Mit dieser Zukunftsprognose lehnten sie es ab, dass das Vorkaufsrecht nach § 26 Abs. 4 BauGB nicht ausgeübt werden darf. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn das betroffene Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel aufweist. Um das Vorkaufsrecht doch noch abzuwenden, wurde dem Erwerber eine Abwendungsvereinbarung geradezu aufgedrängt. Ihrem Praxisleitfaden zu den Sozialen Erhaltungsverordnungen hatte die Stadt Hamburg sogar eine Musterabwendungsvereinbarung beigefügt, die zahlreich genutzt wurde. Regelmäßig ließen sich Erwerber auf die Vereinbarung ein, weil sie die Risiken einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Stadt fürchteten.
Eine wegweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 09.11.2021 dürfte diese Befürchtungen erheblich entkräften (Aktenzeichen BVerwG 4 C 1.20). Das BVerwG schiebt der Zukunftsprognose einen Riegel vor. Es stellt klar, dass die Behörde bei der Prüfung, ob das Vorkaufsrecht im Einzelfall nach § 26 Abs. 4 BauGB ausgeschlossen ist, allein die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts beurteilen darf. Die Vorschrift stellt ihrem eindeutigen Wortlaut nach gerade nicht auf zukünftige Entwicklungen ab, sondern auf die Umstände zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung.
Die Entscheidung stößt erwartungsgemäß auf Unmut bei den Städten und Gemeinden, die nun ihre Steuerungsmöglichkeiten mit Blick auf Gebiete mit einer Erhaltungssatzung massiv beschnitten sehen. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien fand die Entscheidung des BVerwG Berücksichtigung. Man verständigte sich allerdings zunächst nur darauf, zu prüfen, ob sich aus der Entscheidung gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.
Mittlerweile hat der Bundesrat eine Entschließung an die Bundesregierung auf den Weg gebracht, die vorsieht, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht gestärkt und § 26 Abs. 4 BauGB dahingehend geändert wird, dass eine Zukunftsprognose nun ausdrücklich im Gesetz zugelassen werden soll (BR-Drucksache 133/1/22 vom 05.04.2022). Ob die Bundesregierung der Entschließung folgt und einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringt, wird sich zeigen.
Was bedeutet das für Grundstückseigentümer, Erwerbsinteressenten und Investoren heute?
Bis das Gesetz geändert wird, gilt die bisherige Gesetzeslage und hat die Entscheidung des BVerwG Bestand. Prüfen Sie, ob es Grundstücke in Ihrem Portfolio gibt, bei deren bei einer Veräußerung nahe liegt, dass die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausübt und sichergestellt ist, dass das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der Erhaltungsverordnung bebaut ist und genutzt wird. Hier erscheint es zweckmäßig, mit Priorität Verkaufsmöglichkeiten zu eruieren und den Verkauf voranzutreiben, um die Ausübungsfrist für die Behörde in Gang zu setzen.
Zum anderen ist es empfehlenswert, ältere, ggf. missliebige Abwendungsvereinbarungen auf den Prüfstand zu stellen. Diese Vereinbarungen sind in der Vergangenheit oft unter Inkaufnahme erheblicher Entwicklungsbeschränkungen abgeschlossen worden. Stellt sich nun heraus, dass die Gemeinde schon von vornherein gar nicht berechtigt war, das Vorkaufsrecht auszuüben, etwa weil sie lediglich vermutet hatte, dass signifikant werterhöhende Sanierungen stattfinden sollen, so spricht vieles dafür, dass die Abwendungsvereinbarung insgesamt nichtig ist. Den Gemeinden ist es nämlich untersagt, Verträge abzuschließen, bei denen sie ihre Vertragspartner zu etwas verpflichten, auf das diese ohnehin einen Anspruch hätten, sog. Koppelungsverbot aus § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB.
Als Ansprechpartner steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Brummund gerne zur Verfügung.