Der Bundesgerichtshof besiegelt: Keine Verjährung der Gewährleistungsansprüche bei unwirksamer Abnahmeklausel!
Der Bundesgerichtshof (BGH) äußert sich zu den Folgen einer unwirksamen Abnahmeklausel in einem Bauträgervertrag. Bis zu dieser Entscheidung war in der Praxis ungeklärt, ob der Bauträger endlos haftet und ob dadurch entstehende Unbilligkeiten über das Rechtsinstitut der Verwirkung oder einen Vorteilsausgleich im Einzelfall auszugleichen sind. Mit Urteil vom 09.11.2023 schafft der siebte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az. VII ZR 241/22) nun Rechtssicherheit und stärkt erneut die Verbraucherrechte der Erwerberinnen.
Der Fall:
Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) macht Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum gegen den Bauträger geltend. Die betroffene Anlage wurde 2005/2006 errichtet. In dem Bauträgervertrag war geregelt: „Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgte durch den Verwalter – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – im Mai 2005.“ Der Bauträger wurde 2007 und 2008 zur Beseitigung von Mängeln aufgefordert und kam dieser Verpflichtung auch nach. Auf weitere Mangelrügen im Jahre 2012 schlossen die Parteien am 12.11.2013 einen Vergleich, der den Umgang mit den bis zu diesem Zeitpunkt offenen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum regelte. 2014 informierte ein Rechtsanwalt die Gemeinschaft über die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel in den Erwerbsverträgen. Die Gemeinschaft forderte den Bauträger daraufhin auf, eine erneute Abnahmebegehung durchzuführen und Abnahmeerklärungen von allen Erwerber*innen einzuholen. Der Bauträger lehnte dies jedoch mit Verweis auf die Abnahmeklauseln in den Erwerbsverträgen ab. Vier Jahre später traten erneut Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum auf, deren Verfolgung die Gemeinschaft per Mehrheitsbeschluss an sich zog. Darauffolgende Mängelrügen wies der Bauträger zurück und erhob die Einrede der Verjährung. Zwei weitere Jahre später – im Juni 2020 und damit rund 15 Jahre nach der Fertigstellung – reichte die Gemeinschaft im Juni 2020 eine Kostenvorschussklage bei Gericht ein.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Kiel wies die Klage der GdWE ab. Auch die Berufung der GdWE beim Schleswig-Hosteinische Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg. Der Kostenvorschussanspruch sei schon bei Klageinreichung verjährt gewesen, so dass die Klage die Verjährung nicht mehr hemmen konnte. Zwar seien die Abnahmeklauseln aus den Erwerbsverträgen unwirksam und haben weder der Verwalter noch der Sachverständige wirksam die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums für die Erwerber*innen erklärt. Auch eine Abnahme durch schlüssiges Verhalten der Erwerber*innen komme nicht in Betracht, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Verwalter in Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen bereits rechtswirksam die Abnahme erklärt habe. Aber dennoch müssten sich die Erwerber*innen so behandeln lassen, als sei das gemeinschaftliche Eigentum am 12.11.2013 abgenommen worden. Denn die Erwerber*innen seien selbst von einer wirksamen Abnahme ausgegangen und haben in der Vergangenheit gegen den Bauträger erfolgreich Gewährleistungsansprüche geltend gemacht, die anspruchsbegründend eine wirksame Abnahme voraussetzten. Im Rahmen dieser Rechtsverfolgung habe die Gemeinschaft die Annahme des Bauträgers, eine Abnahme sei erfolgt, gegen sich gelten lassen. Die Gemeinschaft verhalte sich nun aber widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB, wenn sie sich in dem Vorschussverfahren auf die Unwirksamkeit der Klausel beriefe. Sie habe in den Jahren 2007/2008 und 2012/2013 aus der übereinstimmenden Auffassung der Parteien, dass es eine Abnahme gegeben habe, einen Vorteil gezogen und Ansprüche durchgesetzt, die zwingend eine Abnahme zur Voraussetzung gehabt hätten. Es wäre mit Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn die Klägerin nun Ansprüche geltend machen könnte, die nur noch durchsetzbar wären, wenn es an einer Abnahme fehle. Die Klägerin habe den aus einer Abnahme folgenden rechtlichen Vorteil in Anspruch genommen. Dann müsste sie auch den mit der Abnahme einhergehenden Nachteil tragen.
Der BGH hebt die Entscheidung auf und verweist den Rechtsstreit zurück an das OLG. Der Vorschussanspruch sei nicht verjährt. Eine Abnahmeerklärung des Verwalters und des Sachverständigen binde die Erwerber*innen nicht, weil die Vollmachten zur Abnahmeerklärung in den Erwerbsverträgen unwirksam seien. Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts komme auch eine konkludente Abnahme durch Inbezugnahme der Wohnungen nicht in Betracht. Die GdWE hätten der Verjährungseinrede des Bauträgers jedoch auch die Unwirksamkeit der Abnahmeklauseln entgegensetzen dürfen, denn sie hätten sich nicht treuwidrig verhalten. Ein widersprüchliches Verhalten sei nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar sei und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erschienen. Es fehle aber vorliegend bereits an einer sachlichen Unvereinbarkeit zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten der Erwerber*innen. Denn dieses Verhalten sei unter Einbeziehung des Umstandes zu würdigen, dass es der Bauträger war, der in den Erwerbsverträgen eine unwirksame Abnahmeklausel vorformuliert hat, die einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Diese Inhaltskontrolle aber schütze ausschließlich die Erwerber*innen und nicht den Verwender. Es ist den Erwerber*innen deshalb nicht verwehrt, einerseits Ansprüche geltend zu machen, die eine wirksame Abnahme voraussetzten, und sich andererseits im Rahmen der Verjährung darauf zu berufen, eine Abnahme sei noch nicht erfolgt. Im Übrigen habe durch das Verhalten der Erwerber*innen auch kein vorrangig schutzwürdiges Vertrauen des Bauträgers begründet. Denn der Bauträger habe für eine erneute Abnahmeerklärung trotz Aufforderung der GdWE nach einer erneuten Abnahmebegehung keinen Raum gesehen und auf die Wirksamkeit seiner Formularklausel vertraut.
Auswirkungen und Folgerungen für die Praxis:
In der Praxis bleibt es für alle Bauträger, die eine unwirksame Abnahmeklausel verwendet haben, gefährlich. Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bleibt auch viele Jahre nach Fertigstellung möglich. Bei Auftreten von Mängelsymptomen auch weit über fünf Jahre nach Fertigstellung hinaus lohnt sich ein Blick in den Vertrag. Auch eine erneute Aufforderung an die Erwerber*innen zur Abnahmeerklärung sollte in Betracht gezogen werden. Die Rechtsposition von Erwerber*innen und Gemeinschaften hingegen stärkt der BGH erneut. Sie können grundsätzlich auch nach mehr als 10 Jahren nach Fertigstellung Ansprüche wegen neuer Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum erfolgreich durchsetzen. Dennoch sollte sich die Gemeinschaft nach Kenntnis der Mängel nicht zu viel Zeit mit der Klageeinreichung lassen.