Abberufung des Verwalters
Zur Abberufung des Verwalters enthält das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) seit dem 01.12.2020 zwei sehr praxisrelevante Neuregelungen: der Verwalter kann jederzeit abberufen werden (§ 26 Abs. 3 Satz 1 WEG) und der Verwaltervertrag endet spätestens sechs Monate nach der Abberufung (§ 26 Abs. 3 Satz 2 WEG). Die Möglichkeit, die Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beschränken, sieht die seit dem 01.12.2020 geltende Rechtslage demgegenüber nicht mehr vor.
Findet der Beschlussantrag eines Wohnungseigentümers oder einer Gruppe von Eigentümern auf Abberufung des Verwalters keine Mehrheit, kann im Rahmen einer Beschlussklage die Ersetzung des Abberufungsbeschlusses durch das Gericht beantragt werden. Das Gericht hat dann darüber zu entscheiden, ob und inwieweit ein Anspruch der Kläger auf Abberufung des Verwalters besteht.
Mit Urteil vom 25.02.2022 – V ZR 65/21 – hat sich der BGH nun auch zur Verwalterabberufung nach neuem Recht geäußert. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes auch zu einer Änderung der Voraussetzungen für die Abberufung führt. Zudem führt die Entscheidung knapp dazu aus, ob und inwieweit zurückliegendes (Fehl-) Verhalten des Verwalters im Rahmen einer Abberufung zu berücksichtigen ist sowie zur Wirksamkeit einer Beschränkung der Abberufung und zur 6-Monats-Frist.
Nach dem Urteil des BGH führt die neue Rechtslage nicht zu einer Änderung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Abberufung des Verwalters. Auch nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden WEG kann der Anspruch nur in engen Grenzen bestehen und ist den Wohnungseigentümern ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung einzuräumen. So besteht auch nach der neuen Rechtslage ein Anspruch auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. „Nicht vertretbar“ bedeutet nach Ansicht des BGH nicht, dass unerfüllbare Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden dürfen; es reiche aus, wenn in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Abzuwägen ist dabei zwischen der Entscheidung der Mehrheit, die Zusammenarbeit mit dem Verwalter fortzusetzen, und dem Interesse der Minderheit an einer ordnungsmäßigen Verwaltung (Minderheitenschutz). Die Erheblichkeit der dem Verwalter vorgeworfenen Verfehlungen lässt das „Pendel in die eine oder andere Richtung ausschlagen“. Schwerwiegende Verstöße legen die Unvertretbarkeit der Ablehnung einer Abberufung eher nahe, während bei leichteren Verfehlungen eher berücksichtigt werden kann, ob und inwieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten ist.
Auch zurückliegende Verstöße sind nach dem Urteil des BGH bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Dabei existieren allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich sind, nach der Rechtsprechung des BGH nicht. Vielmehr kann sich die Annahme, dass die Ablehnung der Abberufung eines Verwalters unvertretbar ist, erst in der Gesamtschau eines neuerlichen Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben oder umgekehrt kann ein neuer Vorfall einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Auch kann ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren späteren Vorfällen, „die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen“, wesentliche Bedeutung erlangen.
Nur rudimentär führt der BGH zur weiteren Geltung einer Beschränkung der Abberufung des Verwalters auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes aus, etwa in der Gemeinschaftsordnung. Der BGH weist lediglich ohne weitere und differenzierende Begründung darauf hin, dass der Verwalter seit dem 01.12.2020 jederzeit abberufen werden kann und entgegenstehende Regelungen unwirksam geworden sind (§ 26 Abs. 5 WEG i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 1 WEG). Demnach dürfte sich die Unwirksamkeit auch auf bereits vor dem 01.12.2020 bestandene Altvereinbarungen erstrecken, in denen eine Beschränkung der Abberufung auf einen wichtigen Grund geregelt ist.
Ebenfalls ohne nähere Begründung führt der BGH weiter aus, dass der Verwaltervertrag „spätestens“ 6 Monate nach der Abberufung endet und entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag unwirksam geworden sind. Demnach erstreckt sich die Regelung gem. § 26 Abs. 3 Satz 2 WEG auch auf Altvereinbarungen, die vor dem 01.12.2020 geschlossen worden sind. Ob diese 6-Monats-Frist bereits mit Verkündung des Abberufungsbeschlusses oder erst zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abberufung zu laufen beginnt, lässt der BGH offen.
Hinweis für die Praxis:
Das Risiko einer Abberufung durch einen auf Klage der Minderheit hin gerichtlich ersetzten Beschluss ist für den Verwalter eher als mäßig einzustufen, insbesondere wenn der Verwalter die Verwaltung weitestgehend ordnungsmäßig durchführt. Erst dann, wenn die mehrheitliche Ablehnung seiner Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint, droht ihm der Amtsverlust im Wege eines auf Klage hin gerichtlich ersetzten Beschlusses.
Ist dagegen eine Mehrheit für die vorzeitige Abberufung des Verwalters und Kündigung des Verwaltervertrages, hat sich die Rechtsposition des Verwalters gegenüber der früheren Rechtslage verschlechtert. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 WEG kann der Verwalter nunmehr jederzeit – ohne Gegenwehr – grundlos abberufen werden.
Erfolgt die Abberufung ohne wichtigen Grund, sollte der Verwalter auf der Grundlage eines „Altvertrages“ (vor dem 01.12.2020) seine Leistung ausdrücklich weiter anbieten, damit die Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche (unter Abzug ersparter Aufwendungen) bis zum Vertragsende nicht von vornherein aussichtslos ist. Ob die Durchsetzung der Vergütungsansprüche gelingt, ist ungewiss.
Christian Säuberlich
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht