Kann die einfache schriftliche Zustimmungserteilung des Vermieters für Baumaßnahmen des Mieters der Schriftform des § 550 BGB genügen?
Kann die einfache schriftliche Zustimmungserteilung des Vermieters für Baumaßnahmen des Mieters der Schriftform des § 550 BGB genügen? Ja – Zumindest nach Auffassung des Kammergerichts (Urt. v. 06.11.2023 – 8 U 10/23).
Der Fall:
In dem vom Gericht zu entscheidendem Sachverhalt vereinbarten die Parteien in einem langfristigen Mietverhältnis, dass der Vermieter baulichen Veränderungen des Mieters schriftlich zustimmen muss. Der Mietvertrag sah für diesen Fall Regelungen vor, wonach der Mieter die Kosten und die Verantwortlichkeit der baulichen Veränderungen zu tragen hat und der Mieter auf Verlangen des Vermieters zur Widerherstellung des ursprünglichen Zustandes zum Mietende verpflichtet ist.
Nach Erteilung der schriftlichen Zustimmung des Vermieters führte der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses bauliche Veränderungen im Mietgegenstand durch, ohne die Zustimmung und die baulichen Veränderungen in einem die Schriftform wahrenden Nachtrag gemäß §§ 550, 126, 578 BGB zu dokumentieren.
Zu einem späteren Zeitpunkt kündigte der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich und erhob Räumungsklage. Aufgrund der nicht der gesetzlichen Schriftform genügenden Zustimmungserteilung des Vermieters zu den baulichen Veränderungen des Mieters, war der Vermieter der Auffassung, dass das Mietverhältnis als ein solches gelte, das auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550 BGB) und somit nach den gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 580a BGB) kündbar sei.
Die Entscheidung:
Das Kammergericht hat die Klage des Vermieters als unbegründet abgewiesen. In seinem Urteil vertritt das Gericht die Auffassung, dass die ordentliche Kündigung des Vermieters unwirksam wäre. Anders als der Vermieter meint, läge kein Schriftformverstoß vor, der zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietverhältnisses nach den gesetzlichen Bestimmungen geführt habe. Grundsätzlich wäre zwar anzunehmen, dass bauliche Veränderungen des Mietgegenstandes durch schriftformwahrenden Nachtrag vereinbart werden müssten. Wenn aber im Mietvertrag bereits Vereinbarungen enthalten seien, die wesentliche Punkte wie die Verantwortlichkeit, die Kostentragung und die Rückbauverpflichtung für Baumaßnahmen des Mieters regeln, genüge zur Wahrung der Schriftform die einseitige schriftliche Zustimmung des Vermieters. Denn das Kammergericht meint, in einem solchen Fall handele es sich bei der Zustimmungserteilung des Vermieters um eine einseitige Genehmigung für ein Umbaurecht des Mieters und nicht um eine zweiseitige Vereinbarung der Parteien, die in einer die Schriftform gemäß §§ 550, 126, 578 BGB wahrenden Nachtragsvereinbarung geregelt werden müsse. Vielmehr sei die einseitige Zustimmungserteilung des Vermieters in solchen Fällen wie die Ausübung von im Vertrag vereinbarten Gestaltungsrechten (etwa der Verlängerungsoption oder der einseitigen Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen) zu behandeln, dessen Ausübung durch einseitige einfache Erklärung einer Partei nach BGH- Rechtsprechung ebenfalls nicht laufzeitschädigend im Sinne des § 550 BGB sei.
Rechtliche Einordnung und Auswirkungen auf die Praxis:
Im Mietrecht besteht die Spezialität, dass der Erwerber einer Mietsache kraft Gesetzes (§ 566 BGB) in die Vermieterstellung eines bestehenden Mietverhältnisses einrückt.
Grundsätzlich gebietet der Erwerberschutz des § 550 BGB daher, dass alle Vereinbarungen der Parteien über Vertragswesentliches im Rahmen eines befristeten Mietverhältnisses schriftformwahrend vereinbart werden müssen. Denn ein potenzieller Erwerber soll sich durch einen Blick in die Vertragsurkunde über die ihn bindenden Vereinbarungen aus dem Mietverhältnis informieren und sich andernfalls durch ordentliche Kündigung vom Vertrag lösen können.
Wie auch das Kammergericht meint, wird man eine Vertragswesentlichkeit bei baulichen Veränderungen der Mietsache grundsätzlich annehmen müssen. Gleichwohl hält das Gericht in diesem Fall einen schriftformwahrenden Nachtrag nicht für erforderlich und behandelt die schriftliche Zustimmung des Vermieters für bauliche Veränderungen des Mieters wie die Ausübung von vertraglich vereinbarten Gestaltungsrechten.
Als prominentestes Beispiel für ein im Mietvertrag vereinbartes Gestaltungsrecht ist die sogenannte Verlängerungsoption zu nennen, wonach einer der Mietvertragsparteien das Recht zusteht, die Laufzeit des Mietverhältnisses durch einseitige Erklärung für einen vertraglich vorbestimmten Zeitraum (z.B. 1 x 5 Jahre) fest zu verlängern.
Bei vertraglich vereinbarten Gestaltungsrechten wie der Verlängerungsoption ist allgemein anerkannt, dass eine nicht schriftformwahrende Ausübung durch einseitige Erklärung einer der Parteien keinen Schriftformverstoß begründet, der zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietverhältnisses führen würde.
Denn bei der Ausübung vertraglich vereinbarter Gestaltungsrechte ist es nach BGH – Rechtsprechung für den Erwerberschutz des § 550 BGB ausreichend, dass für einen möglichen Erwerber der Mietsache aus der schriftlichen Mietvertragsurkunde die für eine Verlängerung maßgeblichen Umstände so genau zu entnehmen sind, dass der Erwerber beim Vermieter oder Mieter entsprechende Nachforschungen anstellen kann (vgl. BGH, Urt. vom 24.07.2013 – XII ZR 104/12).
Aber kann dies auch für die Zustimmungserteilung des Vermieters zu einer baulichen Veränderung des Mieters angenommen werden?
Auch wenn der Mietvertrag für den Fall der Zustimmung des Vermieters bereits Regelungen vorsieht (Kostentragung, Rückbauverpflichtung etc.), einigen sich die Parteien mit der Zustimmung des Vermieters zumindest auf die konkrete Art und den konkreten Umfang der baulichen Veränderung, die der Mieter durchführen möchte und damit auf den Kerninhalt der Baumaßnahme. Somit dürfte mit der auf Anfrage des Mieters erteilten Zustimmung des Vermieters zu einer baulichen Veränderung regelmäßig eine neue Parteivereinbarung über Vertragswesentliches begründet sein, dessen Kerninhalt sich im Gegensatz zur vertraglich vereinbarten Verlängerungsoption (z.B. Verlängerung um 1 x 5 Jahre) gerade nicht aus dem Mietvertrag ergibt.
Daher sind Mieter und Vermieter trotz des Urteils des Kammergerichts gut damit beraten, Baumaßnahmen auch weiterhin im Wege eines die Schriftform wahrenden Nachtrages miteinander zu vereinbaren.
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