BGH erklärt Vertragsstrafenklausel für unwirksam
Der für das private Baurecht zuständige VII. Zivilsenats des BGH äußert sich mit Urteil vom 15.02.2024 (VII ZR 42/22) zur Wirksamkeit von Vertragsstrafenregelungen in Einheitspreisverträgen. Die in der Vertragspraxis häufig anzutreffende Klausel
„2.1 Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung … der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen (…) 0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer.
2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt.“
hält der BGH für unwirksam, weil sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB).
Der Fall:
Auftraggeber und Auftragnehmer schließen einen Einheitspreisvertrag über Bauleistungen. Der Vertrag sieht unter anderem vor, dass der Auftragnehmer bei Terminüberschreitungen eine Vertragsstrafe von 0,2 Prozent der Netto-Angebotssumme pro Tag, gedeckelt auf insgesamt 5 Prozent der Netto-Angebotssumme, zu entrichten hat. Der Auftragnehmer überschreitet den vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin und stellt seine Schlussrechnung, ohne die Vertragsstrafe gegenzurechnen. Der Auftraggeber erklärt die Aufrechnung mit der ihm vermeintlich zustehenden Forderung aus verwirkter Vertragsstrafe. Der Auftragnehmer klagt den offenen Werklohn ein. Er gewinnt in erster Instanz vor dem Landgericht. Auf die Berufung des Auftraggebers wird das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Der Auftragnehmer legt dagegen Revision ein.
Die Entscheidung:
Mit Erfolg! Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und weist die Berufung des Auftraggebers zurück. Die Vertragsstrafenregelung benachteilige den Auftragnehmer unangemessen und sei deshalb unwirksam. In einem Einheitspreisvertrag bestehe die Möglichkeit, dass der Auftragnehmer geringere Mengen schlussrechne, als er angeboten habe. Die an die Angebotssumme gekoppelte Vertragsstrafe läge dann über den vom BGH in ständiger Rechtsprechung für maximal zulässig gehaltenen 5 Prozent der Netto-Auftragssumme (BGH, Versäumnisurteil vom 23.01.2003, VII ZR 210/01). Diese Begrenzung trage dem Umstand Rechnung, die für die Überschreitung eines Termins vereinbarte Vertragsstrafe unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehen müsse, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdiene. Durch den Verlust von mehr als 5 Prozent seines Vergütungsanspruchs werde der Auftragnehmer unangemessen belastet.
Die Überschreitung der 5 Prozent-Grenze führt nach dem BGH zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt – und zwar unabhängig davon, ob der Auftragnehmer im jeweiligen Einzelfall geringere Mengen schlussrechne, als er angeboten habe.
Auswirkungen auf die Praxis:
Die für unwirksam erklärte Vertragsstrafenklausel findet sich in zahlreichen Vertragsmustern. Auftraggeber sollten kritisch prüfen, ob die in ihren Vertragsmustern enthaltenen Regelungen den strengen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch gerecht werden und welche Alternativen es bei der Vertragsgestaltung gibt. Dies gilt erst recht, weil Klauseln zur Vertragserfüllungssicherheit in Einheitspreisverträgen dasselbe Schicksal wie die Vertragsstrafenregelung ereilen kann. Denn auch hier wird üblicherweise zur Bestimmung der Sicherheitshöhe auf die Netto-Angebotssumme abgestellt.
Auftragnehmer sollten die Entscheidung hingegen zum Anlass nehmen, das Vorgehen beim Abschluss von Einheitspreisverträgen zu prüfen. Denn stellen sie selbst einen Formularvertrag, der eine derartige Klausel enthält, können sie sich als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf deren Unwirksamkeit berufen.
Verfasser: Rechtsanwalt Bjarne Brummund