Lockdown-Schließungen und Gewerbemiete – ein aktueller Stand
Nach wie vor ist das spannendste Thema in der Gewerberaummiete die Frage nach den Folgen des Lockdowns, also der Hoheitlichen Schließungsanordnungen für die Gewerbemietverhältnisse, die durch die Schließungsanordnungen betroffen waren. Innerhalb kürzester Zeit haben sich im Frühjahr 2020 verschiedene Literaturmeinungen dazu entwickelt, wie die Schließungsanordnungen rechtlich zu greifen sind und welche Auswirkungen sie beispielsweise auf die zu zahlende Miete haben. Seit Herbst 2020 werden immer mehr gerichtliche Entscheidungen zu den anstehenden Fragen verkündet und veröffentlicht. Zum Teil wird davon ausgegangen, der Lockdown sei als ein Mangel der Mietsache zu qualifizieren (LG München I, BeckRS 2020, 28189; s. a. OLG Nürnberg, BeckRS 2020, 29175). Die Oberlandesgerichte Dresden, Frankfurt, Karlsruhe, Köln und München gehen ebenso wie eine Reihe von Landgerichten von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage infolge der gegenwärtigen Pandemielage aus. Unterschiedliche Anforderungen werden dabei allerdings an die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietvertrages zu unveränderten Konditionen gestellt. Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages wegen eines Wegfalls oder einer Störung der Geschäftsgrundlage besteht gemäß § 313 Abs. 1 BGB nämlich nur dann, wenn die unveränderte Fortsetzung des Vertrages zu den gleichen Bedingungen für eine der Vertragsparteien unzumutbar ist. Während das OLG Dresden (BeckRS 2021, 2461) bei einer gewissen zeitlichen Andauer des Lockdowns die Unzumutbarkeit als gegeben ansieht und für diesen Fall in der Regel eine 50 %ige Reduzierung der Miete bejaht, fordern das OLG Karlsruhe (BeckRS 2021, 2464) und das OLG München (BeckRS 2021, 2593), dass der Lockdown den Mieter in den Bereich einer Existenzgefährdung bringen muss und nur dann eine Anpassung der Miete vorzunehmen sei.
Nunmehr hat sich auch das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 17.09.2021 (Aktenzeichen 2 U 18/21) mit den Auswirkungen des Lockdowns auf ein Gewerberaummietverhältnis befasst. Neu ist dabei, dass das OLG Frankfurt auch auf den Teilaspekt der Infektionsgefahr durch Aerosol in geschlossenen Räumen ohne spezielle Lüftungsanlagen eingeht.
Auch das OLG Frankfurt gelangt zu dem Ergebnis, dass die behördlichen Schließungsanordnungen und sonstigen Beschränkungen des Geschäftsbetriebes zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie keinen Mangel des Mietobjektes darstellen. Mangels Zusammenhangs zur körperlichen Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes fehle der unmittelbare Bezug der Schließungsanordnung zum Mietobjekt, so dass dieses öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernis keinen Mangel des Mietobjektes darstelle. Auch sei dem Vermieter seine Leistung nicht unmöglich, den Vermieter treffe lediglich das Verwendbarkeitsrisiko des Mietobjektes, nicht dagegen das Verwendungsrisiko, welches infolge der Schließungsanordnungen betroffen sei.
Auch die Argumentation des Mieters, die Mietfläche sei deshalb mangelbehaftet, weil in ihr bei vertragsgemäßer Nutzung eine Gesundheitsgefahr infolge einer Aerosol-Infektion mit dem Coronavirus SARS-COV-2 bestehe, ließ das OLG Frankfurt nicht gelten. Insoweit stellte das Gericht darauf ab, dass die Gesundheitsgefahr ja gerade nicht von den Räumlichkeiten ausgehe, sondern vielmehr von dem konkreten Nutzungsverhalten. Mit anderen Worten: Wenn sich kein Mensch in dem Mietobjekt aufhält, der mit dem Virus infiziert ist, besteht auch keine Gesundheitsgefahr. Umgekehrt hätte sich aber durchaus argumentieren lassen, dass beispielsweise in Discotheken oder anderen Betrieben, die auf einen engen Publikumsverkehr angewiesen sind, das Fehlen von Lüftungsanlagen, die die Gefahr einer aerosolbedingten Infektion erheblich reduzieren können, als Mangel des Mietobjektes anzuerkennen sei (so Leo, NZM 2021, 249 (254 f)).
Schließlich kommt das OLG Frankfurt zu dem Ergebnis, dass dem Grunde nach ein Wegfall bzw. eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben sein könnte, lehnt aber die vom OLG Dresden angenommene Lösung der Reduzierung der Miete um 50 % ab. Auch wenn es sich um eine für die Praxis gut handhabbare Lösung der Thematik handelte, wären damit die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB nicht hinreichend berücksichtigt. Erforderlich sei hier die Bewertung und Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nicht die regelhafte Reduzierung der Miete um 50 %.
Solange eine höchstrichterliche Entscheidung durch den Bundesgerichtshof aussteht, ist den Mietvertragsparteien nach wie vor anzuraten, im Wege von einvernehmlichen Regelungen die Folgen der Covid-19-Pandemie für das Gewerberaummietverhältnis eigenverantwortlich zu lösen.
Verfasserin: RAin Ruth Breiholdt