Neues zur Hybrid-Versammlung und: kommt die reine Online-Eigentümerversammlung?
Es bleibt das ungeliebte Stiefkind des WEMoG: die Hybrid-Eigentümerversammlung. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer seit dem 1.12.2020 beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Getan hat sich seitdem wenig. Es bleibt nicht nur die Angst vor Nichtöffentlichkeit und technischen Pannen. Die erste Hürde ist bereits der Zulassungsbeschluss. Hier droht ein Anfechtungsrisiko. Es wird zum einen vertreten, dass derzeit Zulassungsbeschlüsse grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, da die technischen Voraussetzungen noch nicht vorliegen würden, zum anderen, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Hybrid-Versammlung in § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG keine sichere Rechtslage geschaffen hat und damit keine sichere Rechtsanwendung ermöglicht.
Was den Zulassungsbeschluss angeht gibt es eine erste Entscheidung des AG München, Urteil vom 6.4.22 – 1292 C 19128/21. In dieser ist ein entsprechender Zulassungsbeschluss für ordnungsmäßig erachtet wurden. Der Beschluss lautete:
„Die Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels elektronischer Kommunikation wird nach Maßgabe folgender Bestimmung zugelassen:
- Jeder Eigentümer kann sein Teilnahme-/Rede- sowie Stimmrecht per Audio/Video-Funktion ausüben. Die Wahl des Kommunikationsmittels bzw. der Software ist durch die Verwaltung zu treffen. Die Kosten für den technischen/personellen Mehraufwand der Verwaltung hat die Eigentümergemeinschaft zu erbringen.
- Unabhängig von der konkreten Software oder des Kommunikationsmittels, hat jeder Wohnungseigentümer die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme an den Versammlungen in elektronischer Form auf eigene Kosten zu schaffen.
- Die Online-Beteiligung hat über einen durch geeignete Verschlüsselung geschützten Zugang zu erfolgen. Der berechtigte Online-Teilnehmer hat die Übertragung an Nichtberechtigte zu unterbinden.
- Jeglicher Übertragungsfehler – gleich auf wessen Verantwortungsbereich dieser beruht – hindert den Fortgang der Eigentümerversammlung nicht. Der Online-Teilnehmer ist für einen solchen Fall darauf verwiesen, sich von einer anwesenden Person vertreten zu lassen.“
Diese Entscheidung macht Mut. Der Beschluss ist übersichtlich, aber ausreichend und bestimmt. Es gilt: einfach machen. Denn schon heute macht die moderne Technik bereits alles möglich, nur fehlt teilweise der Mut zur Veränderung. Die Möglichkeiten des Gesetzes sollten zumindest da genutzt werden, wo es Sinn ergibt (kleinere Gemeinschaft; Gemeinschaft mit örtlich verstreuten Kapitalanlegern; „junge Gemeinschaft“). Für Verwaltungen dürften Erfahrungen mit Hybrid-Versammlungen sowohl zu einem Wettbewerbsvorteil führen als auch ein gutes Argument bei der Gewinnung von Nachwuchskräften sein.
Soweit das Gesetz derzeit eine Möglichkeit, Eigentümerversammlungen ausschließlich online abzuhalten (reine digitale oder virtuelle Eigentümerversammlung), nicht vorsieht und es damit einer (allstimmigen) Vereinbarung bedarf, gibt es Reformbewegungen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf, der reine Online-Eigentümerversammlungen ermöglichen soll. Geplant ist, eine gesetzliche Beschlusskompetenz zu schaffen, einstimmig die Durchführung reiner Online-Versammlungen zu beschließen, sofern diese hinsichtlich der Teilnahme (Zwei-Wege Audio- und Videoverbindung in Echtzeit) und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sind. Noch im Laufe des Jahres 2022 soll ein Referentenentwurf vorgelegt werden.
So weit – so gut. Die Reform ist zu begrüßen, zumal die Hybrid-Versammlung eben nicht nur ungeliebt, sondern gegenüber der reinen Online-Eigentümerversammlung auch in der Durchführung (zwei Ebenen) schwieriger sein dürfte. Sollte es aber dabeibleiben, dass die reine Online-Eigentümerversammlung eines „einstimmigen Beschlusses“ bedarf, mithin alle (auch die nicht in der Versammlung anwesenden?) EigentümerInnen dafür stimmen müssen, dürfte die Neuregelung zum Ladenhüter werden. Jedenfalls ergibt sich aus der BT-Drucksache 20/2506, dass „alle Eigentümerinnen und Eigentümer damit einverstanden sein“ müssen. Dies wäre indes ein sog. allstimmiger Beschluss, den es regelmäßig nicht geben wird. Einzelne EigentümerInnen werden dagegen sein oder gar nicht erst nicht mitstimmen. Im Hinblick auf die formellen Anforderungen an einen allstimmigen Beschluss wäre die Hürde sogar noch höher als bei einer (konkludenten und damit formlosen) allstimmigen Vereinbarung. Es bleibt abzuwarten, was der Gesetzgeber sich ausdenkt.
WIR bleiben am Ball und werden berichten.
Verfasser: RA Carsten Küttner