Umfang der Erhaltungslast einer Untergemeinschaft
In der Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft können bezogen auf einzelne Baukörper oder Teile dieser sogenannte Untergemeinschaften gebildet werden. Die jeweilige Untergemeinschaft ist zwar keine eigenständige Wohnungseigentümergemeinschaft. Aber den Eigentümern der Untergemeinschaft kann eine alleinige Verwaltungskompetenz für ausschließlich sie betreffende Angelegenheiten zugebilligt werden, verbunden mit der Auferlegung der diesbezüglichen alleinigen Kostenlast.
Die Untergemeinschaft im Wohnungseigentumsrecht ist äußerst praxisrelevant, was sich auch in der hohen Anzahl von Entscheidungen des BGH zu diesem Thema spiegelt. So auch in der hier vorgestellten Entscheidung des BGH, Urteil vom 12.11.2021 – V ZR 204/20:
Die in Rede stehende Wohnanlage besteht aus mehreren Wohnhäusern, die teilweise mit einer vierstöckigen Tiefgarage unterbaut sind, deren tragende Teile das Fundament der Wohnhäuser darstellen. Das Grundstück ist in Wohnungseigentum geteilt und Sondereigentum an den Wohnungen und den Stellplätzen in der Tiefgarage begründet. In der Gemeinschaftsordnung wird für die verschiedenen Baukörper, also jeweils für ein Wohnhaus und die Tiefgarage eine Untergemeinschaft gebildet. Weiter ist geregelt, dass den EigentümerInnen der jeweiligen Untergemeinschaft die alleinige Verwaltungskompetenz für ausschließlich sie betreffende Angelegenheiten zusteht, eine eigene Erhaltungsrücklage für die jeweilige Untergemeinschaft gebildet wird und nur die jeweiligen Eigentümer der Untergemeinschaft zur Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums in dem Baukörper berechtigt sind, sie aber auch allein die dortigen Kosten zu tragen haben.
Im April 2019 wird die Sanierung der Tiefgarage zu Kosten von rund 5 Mio. EUR beschlossen. In einem weiteren Beschluss, über den ausschließlich die Stellplatzeigentümer abstimmen, wird die Finanzierung der Maßnahmen durch Erhebung einer allein von den Stellplatzeigentümern aufzubringenden Sonderumlage beschlossen, so dass auf jeden Stellplatz ein Betrag von ca. 21.300 EUR entfällt.
Herr S, der Sondereigentümer eines Stellplatzes ist, ficht den Beschluss über die Sonderumlage an. Er ist der Ansicht, dass die Untergemeinschaft der Stellplatzeigentümer nicht allein über die Erhebung der Sonderumlage beschließen könne. Vielmehr sei die Finanzierung der Sanierungsmaßnahme Sache aller Wohnungseigentümer. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die tragenden Bauteile der Tiefgarage das Fundament der darauf stehenden Wohnhäuser bilden. Das Amtsgericht und das Landgericht folgen der Ansicht des Klägers.
Der in dritter Instanz mit der Sache befasste BGH sieht dies anders. Nach seiner Ansicht hatte die in der Gemeinschaftsordnung für die Tiefgarage gebildete Untergemeinschaft die Kompetenz, über die Erhebung der Sonderumlage zu beschließen. In der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage können für die Tiefgarage und die Wohngebäude auch dann weitgehend verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet werden, wenn die Tiefgarage zugleich als Fundament der Wohngebäude dient. Sieht die Gemeinschaftsordnung einer solchen Anlage darüber hinaus vor, dass die Untergemeinschaften sich selbstständig verwalten, dass an den Untergemeinschaften jeweiligen Eigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile berechtigt und verpflichtet sind und dass für die Untergemeinschaften jeweils eigene Rücklagen gebildet werden sollen, so entspricht es der nächstliegenden Bedeutung dieser Regelungen, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage die Kosten für Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Tiefgarage zu tragen haben, und zwar im Hinblick auf tragende Bauteile, die zugleich das Fundament der Wohngebäude bilden. Das Wohnungseigentumsrecht lässt den Wohnungseigentümern weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander ordnen wollen. Eine objektbezogene Kostentrennung ist auch dann rechtlich unbedenklich, wenn eine Tiefgarage zugleich die Standfestigkeit von oberirdisch errichteten Wohnhäusern gewährleistet.
Fazit:
Die Bildung von Untergemeinschaften in der Gemeinschaftsordnung kann Wohnungseigentum attraktiver machen, da Identifikation und Selbstorganisation gesteigert und Kosten gerechter verteilt werden. Wohnungseigentümer, Verwalter und alle sonstigen Rechtsanwender müssen einschlägige Bestimmungen in den Gemeinschaftsordnungen zutreffend auslegen und beachten.
Verfasser: RA Christian Säuberlich
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
W.I.R Breiholdt Nierhaus Schmidt – WEG-Abteilung